Rede des Präsidenten der Republik Aserbaidschan Heydar Aliyev auf dem Treffen mit dem Oberbefehlshaber der russischen Armee im Transkaukasien, Generaloberst Fedor Reut - den 6. Januar 1994


Ich denke, dass wir uns vielleicht früher treffen mussten, weil die transkaukasische Region eine zusammengebundene Region ist. Zweitens, Sie befehligen die russische Armee, die in Georgien und Armenien stationiert ist. Jedoch gelang das uns immer wieder nicht. Für die Lösung der Fragen hinsichtlich der Interessen unserer Republik zusammen mit der Republik Georgien habe ich mich mit Eduard Schewardnadse und anderen Leitern dieser Republik getroffen. Sie sind im Zusammenhang mit der wirtschaftlichen Zusammenarbeit hierher gekommen, besonders viele Fragen, die mit der Energieversorgung Georgiens verbunden sind, wurden gelöst. Mit Armenien befinden wir uns leider im Kriegszustand. Ihre Truppen - die Armee der Russischen Föderation - werden sowohl in Georgien, als auch in Armenien disloziert. Natürlich können wir ohne Kommunikation nicht auskommen. Wir haben telefonisch kommuniziert, unsere Vertreter haben sich mit Ihnen getroffen. Aber wir sollten, meine ich, engerer Kontakte haben, um keinen Fehler in unseren Wechselbeziehungen zu begehen. Wenn es Kontakte gibt, Treffen durchgeführt werden, ist es leicht, alle Fragen zu regeln, aber wenn es keine Beziehungen gibt, wächst irgendeine kleine Frage zu einem großen Problem, selbst wenn diese Frage keine große Bedeutung hat.

Unsere Republik hat keine Probleme mit Georgien. Wir haben historisch ausgeprägte freundschaftliche, gutnachbarliche Beziehungen mit diesem Staat. Trotzdem beunruhigt uns die allgemeine Lage in Georgien, weil wir nicht gleichgültig bleiben können, wenn etwas im Nachbarland geschieht. Aber besonders beunruhigt uns die Lage der Aserbaidschaner, die in Georgien leben. Und es gibt dort sehr viele, nach vorhandenen Daten ca. 600 Tausend Menschen. Und in einigen Bezirken wie Marneuli, Bolnissi, Dmanissi, Gardabani leben sie sehr kompakt. Wir erhalten manchmal sehr beunruhigende Nachrichten über die Gewaltanwendung, Ungerechtigkeiten usw. gegen einzelne Aserbaidschaner. Unsere Vertreter sind im Zusammenhang mit dieser Frage dorthin gefahren. Die Staatssekretärin Lala-Schöwket Hadschijewa hatte einen speziellen Besuch in Georgien, sie hat Dmanissi und Marneuli besucht, sich mit der Führung Georgiens getroffen. Die Vertreter einiger mit Georgien benachbarten Bezirke Aserbaidschans sind in die Nachbarrepublik gefahren, um humanitäre oder materielle Hilfe an die Bewohner der Bezirke Marneuli und Dmanissi zu leisten. Aber leider bleibt das alles bisher ohne Ergebnisse. Ich hatte ein telefonisches Gespräch mit Eduard Amwrossijewitsch Schewardnadse, er hat gesagt, dass die Maßnahmen für die Schaffung von Ordnung und Bildung der entsprechenden Bedingungen für die aserbaidschanische Bewohner dieser Bezirke getroffen werden.

Die Gelegenheit benutzend, wende ich mich an Sie mit einer Bitte. Da Ihre Truppenteile auf dem Territorium Georgiens, einschließlich in dieser Region, stationiert sind, möchte ich, dass Sie diese Frage beachten. Diese Aserbaidschaner sind die Bürger Georgiens, sie leben dort seit Jahrhunderten. Es ist ihre Heimat, ihr Vaterland, und man muss ihnen Sicherheit, normales Leben und Arbeitsplätze gewähren. Einige Symptome beunruhigen uns sehr. Ich sprach darüber mit Herrn Eduard Amwrossijewitsch Schewardnadse. Wenn die negativen Erscheinungen, die es dort gibt, nicht beseitigt werden, können sie zu ernsten Komplikationen werden. Was während dieser Komplikationen vorkommt, haben wir mit Ihnen am Beispiel des sogenannten Berg-Karabach-Konfliktes deutlich gesehen. Dieser Konflikt hat zu offenen Kriegsoperationen zwischen Armenien und Aserbaidschan geführt. Das ist meine erste Bitte an Sie. Ich möchte, dass Sie das beachten.

Ich habe es im Namen des Aserbaidschanischen Staates mehrfach erklärt und heute, mein Treffen mit Ihnen benutzend sage ich, dass wir für die friedliche Lösung dieser Frage sind. Wir wollen, dass dieser Krieg aufhört, er dauert fast 6 Jahre. Die vergangenen Jahre haben der ganzen Welt demonstriert, dass dieser Krieg sowohl dem aserbaidschanischen, als auch dem armenischen Volk viel Unglück gebracht hat. Dieser Krieg wird die von extremistischen Kräften in Armenien erwarteten Ergebnisse nicht zeitigen. Deshalb sagte ich immer und sage jetzt: ausgehend von der weltweiten, politischen Erfahrung muss man diese Frage auf friedlichem Wege lösen. Wir haben keinen einzigen Meter des armenischen Territoriums besetzt, doch die armenischen Streitkräfte haben fast 20% des Territoriums der Aserbaidschanischen Republik, auch den Boden außerhalb des ehemaligen autonomen Gebiets Berg-Karabach okkupiert. Sie sind ein Militär, das verstehen Sie gut. Laut Armenien wird dieser Krieg für den Schutz der Interessen der armenischen Minderheit in Berg-Karabach geführt. Wie können wir denn die Tatsache verstehen, dass einerseits 50 Tausend Aserbaidschaner aus Berg-Karabach vertrieben sind. Und andererseits haben die armenischen Streitkräfte unsere sieben Bezirke außerhalb von Berg-Karabach - Latschin, Kelbadschar, Agdam, Fisuli, Dschebrail, Sangilan und Gubadli okkupiert. Ihre Bewohner befinden sich jetzt in einer schwierigen Lage, viele von ihnen leben in Zelten. Sie können unsere Bezirke besuchen, wo sie sich angesiedelt haben. Der materielle Reichtum, der seit Jahrzehnten, seit Jahrhunderten in diesen Bezirken gesammelt worden war, ist ausgeraubt, zerstört. Es ist der Vandalismus der armenischen bewaffneten Gruppen. Natürlich wird die Welt, meiner Meinung nach, diesen Menschen niemals verzeihen. Die Welt verzeiht die Aggression und den Aggressoren nicht.

Deshalb habe ich erklärt und erkläre die Gelegenheit benutzend nochmals, sage ich Ihnen darüber persönlich. Obwohl Ihnen die Erklärung der aserbaidschanischen Regierung bekannt ist, dass wir für die friedliche Lösung dieser Frage sind. Aber nur unter der Bedingung, dass die armenischen Streitkräfte ohne irgendwelche Bedingungen das Territorium Aserbaidschans, vor allem die Bezirke außerhalb des ehemaligen autonomen Gebiets Berg-Karabach verlassen. Solche Vorschläge sind gemacht und werden gemacht. Doch die Aggressoren glauben aufgrund des momentanen Vorteils, dass die Situation ewig so andauern kann. Am 24. Dezember sollte ich auf dem Treffen der Staatsoberhäupter der GUS-Länder in Aschchabad eine Erklärung abgeben. Sie sind damit vertraut. Diese Erklärung wurde im Zusammenhang mit dem Beitritt Aserbaidschans zur GUS am 24. September abgegeben. Wir haben den Vertrag über die kollektive Sicherheit unterschrieben, um ein vollberechtigtes Mitglied der GUS zu sein. Armenien ist auch das GUS-Mitglied. Deshalb habe ich in Aschchabad die Erklärung abgegeben: ohne Gewährleistung der inneren Sicherheit kann keine Rede von der Sicherheit dieser Gemeinschaft von den möglichen Angriffen von außen sein.

Deshalb habe ich dort gesagt, und auch beim Gespräch mit den einzelnen Regierungschefs der unabhängigen GUS-Länder betont, dass wir uns mit dieser Lage nicht zufriedengeben können, und ich denke, dass diese Erklärung Ergebnisse haben soll. Ich erzähle Ihnen das alles, weil wir während der Unterzeichnung des Vertrags über kollektive Sicherheit gerade von diesem Prinzip der Zusammenarbeit der Streitkräfte aller Länder, einschließlich Aserbaidschans und Russlands, ausgegangen sind.

Sie vertreten die russischen Truppen in Georgien und in Armenien. Deshalb möchte ich Sie bitten, Ihre Möglichkeiten und Autorität zu nutzen, damit einige Kreise in Armenien auf diesen Wahnsinn verzichten. Ich wiederhole, wir sind für die friedliche Lösung der Frage, für die Einstellung des Krieges, für die Einstellung der Kriegsoperationen.

In den letzten Tagen geschahen härtere Kriegsoperationen. Daran sind wir nicht schuldig, weil die Aggressoren seit eineinhalb Monaten neue Pläne für die Okkupation weiteren aserbaidschanischen Boden vorbereiten. Vielleicht konnten sie früher dieses Ziel erreichen, aber jetzt ist das nicht möglich, sie stoßen an einen ausreichend starken Widerstand. Und es kommt natürlich zu Kriegsoperationen, es gibt Verluste auf beiden Seiten. In letzter Zeit zeigen unsere Streitkräfte starken Widerstand gegen armenische Truppen. Wahrscheinlich ist Ihnen bekannt, dass sie hohe Verluste sowohl an Menschen, als auch an Material erleiden. Und warum ist so etwas notwendig? Wir brauchen so etwas nicht. Wir greifen nicht an, wir verteidigen uns auf unserem Territorium, sie sind auf unseren Boden eingedrungen.

Ehrlich gesagt, will ich deshalb meine Unzufriedenheit aussprechen. Unsere Freunde aus den GUS-Ländern, besonders aus Russland, sind in diesen Fragen nicht prinzipientreu. In meiner Erklärung in Aschchabad habe ich betont, dass nach dem Beitritt Aserbaidschans zur GUS am 24. September und nach der Unterzeichnung des Vertrags über die kollektive Sicherheit unsere 4 Bezirke okkupiert wurden. Deswegen haben wir allen Grund unsere Unzufriedenheit zu äußern, dass unsere Verbündeten sich gleichgültig verhalten haben. Aber zugleich wende ich mich an Sie nur mit der Bitte, Ihre Möglichkeiten, Ihre Autorität, Ihre Position in Armenien zu nutzen, die Situation zu ändern. Ich erkläre Ihnen entschieden, Sie können das jedem weiterleiten, den Sie für nötig halten, dass wir für die Einstellung der Kriegsoperationen, für die Lösung dieser Frage auf friedlichem Wege, sind.

Alle übrigen Fragen sind jedoch sehr leicht zu lösen. Die Hauptfrage ist die Einstellung der Kriegsoperationen, die Gewährleistung der staatlichen Souveränität, der territorialen Integrität Aserbaidschans. Wiederum wende ich mich an Sie. Ich wiederhole, ich will nicht behaupten, dass Ihre Truppen Armenien helfen, obwohl es ein solches Gerücht gibt. Ich habe keinen Grund die offiziellen Erklärungen zu bezweifeln, aber Sie befinden sich auf dem Territorium Armeniens, dort gibt es russische Militärstützpunkte und diese haben den Status von offiziellen Militärstützpunkten. Armenien führt mit uns einen Krieg, nicht wir haben ihre Territorien besetzt, sondern sie haben unsere besetzt. Deshalb bin ich aufgrund der internationalen Rechtsnormen berechtigt an Sie mit der Bitte zu wenden, damit Sie Ihren Einfluss verwenden und die entsprechenden Maßnahmen treffen.

Ich hoffe, dass Sie diese Maßnahmen treffen werden. Betreffend der Beförderung des Nachschubs für die Versorgung der russischen Truppen, die sich in der Transkaukasischen Region befinden, haben wir den Weg durch Aserbaidschan gewährleistet, und werden ihn auch künftig gewährleisten. Weil wir mit Russland, mit den Truppen der Russischen Föderation freundschaftliche Beziehungen haben, und diese werden zweifellos andauern. Ich treffe alle Maßnahmen für die Festigung dieser Beziehungen. Jedoch erhalten wir sehr viele Nachrichten, dass der Treibstoff, der für die Truppenteile in Georgien oder in Armenien über das Territorium der Republik Aserbaidschan befördert wird, später den armenischen Streitkräfte zur Verfügung gestellt und gegen uns verwendet wird. In diesem Fall spreche ich darüber wie über Nachrichte, über Mitteilungen. Das alles wird auch übertrieben, und ehrlich gesagt, sind wir seitens verschiedener Schichten der Bevölkerung beschuldigt worden: warum wir diese Lieferungen durch unser Territorium zulassen, während das alles sowieso den armenischen Streitkräften hilft? Das alles sage ich Ihnen, damit Sie diese Fragen noch einmal bedenken.

Die Zeitung "Aserbaidschan", den 7. Januar 1994.