Interview mit dem Präsidenten der Republik Aserbaidschan Heydar Aliyev des Korrespondenten des US-Fernsehsenders SNN - den 29. September 1994


Frage: Herr Präsident, was erwarten Sie vom Treffen mit dem US- Präsident Bill Clinton? Wollen Sie die Position Russlands abschwächen?

Antwort: Ich erwarte vieles von meinem Treffen mit dem US- Präsident Bill Clinton. In erster Linie erwarte ich die Besprechung der Frage über die Entwicklung bilateraler Beziehungen zwischen Aserbaidschan und den Vereinigten Staaten, einschließlich der Unterstützung der USA bei der Umsetzung des Vertrages, der vor kurzem in Baku zwischen der Staatsölgesellschaft Aserbaidschans und dem Konsortium der westlichen Ölkonzerne unterschrieben wurde. Dann erwarte ich von den internationalen Organisationen die Erhöhung ihrer Aktivität, die darauf abzielt, Aserbaidschan aus der schwierigen Notlage zu bringen und vor der Aggression Armeniens zu retten, sowie die stärkere Beteiligung der Vereinigten Staaten in dieser Angelegenheit.

Frage: Auf dem gestrigen Treffen gaben Bill Clinton und der Präsident Boris Jelzin eine Erklärung ab, aus der hervorgeht, dass sie in der Berg-Karabach-Frage zu einer bestimmten Einigung gekommen sind. Würden Sie der Meinung zustimmen, Berg – Karabach Armenien zu übergeben und  auf diese Weise den Frieden zu erreichen?

Antwort: Nein, ich werde nie der Berg-Karabach-Übergabe an Armenien zustimmen.

Soweit ich weiß, sind Hr. Boris Jelzin und Hr. Bill Clinton auf der gestrigen Presse-Konferenz zu so einer Meinung gekommen, dass der Konflikt um Berg-Karabach zwischen Armenien und Aserbaidschan auf friedliche Weise, im Rahmen der internationalen Organisationen gelöst werden soll. Und in diesem Zusammenhang muss eine spezielle Resolution der Vereinten Nationen verabschiedet werden. Wir können mit der Lösung des Konfliktes zwischen Armenien und Aserbaidschan ausschließlich unter diesen Bedingungen einverstanden sein, sowie unter noch einer Bedingung, dass die territoriale Integrität, Souveränität der Republik Aserbaidschan gesichert werden. Wie ich gehört habe, hat Hr. Clinton diese Gedanken dort zum Ausdruck gebracht.

Frage: Ihren Worten nach, erwarten Sie, dass der US-Präsident Bill Clinton in einer deutlicher Form erklärt, dass Berg-Karabach Armenien nie übergeben werden wird. Habe ich Sie richtig verstanden?

Antwort: Ich bin überrascht, dass mir so eine Frage gestellt wird: ob Berg-Karabach Armenien übergeben werden wird oder nicht. Der Krieg, der  6 Jahre dauert und ein großes Unglück bringt, wird von Armenien nur deswegen geführt, um Berg-Karabach zu ergreifen. Während dieser Zeit verteidigte Aserbaidschan sein Land, seine territoriale Integrität und Souveränität. Wie wäre es jetzt möglich, Verhandlungen über die Übergabe von Berg- Karabach an Armenien zu führen? Ich bin von so einer Stellung der Frage ganz überrascht. In diesen 6 Jahren wurde diese Frage in dieser Form in keiner internationalen Organisation von keinem Staatsoberhaupt gestellt.

Frage: Aber in diesen 6 Jahren sind mehr als 20 000 Menschen ums Leben gekommen. Armenien hat allseitige Übermacht in allen Sinnen und in Ihrem Land gibt es viele Flüchtlinge. Wollen Sie keinen Kompromiss eingehen?

Antwort: In diesen 6 Jahren sind in Aserbaidschan ungefähr 20 000 Menschen ums Leben gekommen, etwa 100 000 Menschen sind verletzt worden, 20 % des Territoriums Aserbaidschans wurde durch armenische Besatzungskräfte besetzt. Mehr als 1 Mio. aserbaidschanische Bürger, Aserbaidschaner haben ihre Häuser in besetzten Gebieten verloren und wurden zu Flüchtlingen. Das alles ist die Folge der militärischen Aggression Armeniens gegen Aserbaidschan. Keine internationale Organisation, kein Gerechtigkeit übender Staat kann die militärische Aggression begrüßen und rechtfertigen.

Wegen einiger objektiver Gründe, dank der Unterstützung einzelner Staaten und Kreisen erreichen die armenischen Streitkräfte  diese Übermacht. Aber nach internationalen Rechtsnormen hat ein Staat kein Recht, gewaltsam das Land eines anderen Staates zu ergreifen, sowie die Grenzen eines anderen Staates gewaltsam zu verletzen. Ich will nur, dass Armenien diese internationalen Rechtsnormen  einhält.

Die Verhandlungen mit Herrn Bill Clinton bestätigen mich in der Ansicht, dass der US-Präsident zu diesen Prinzipien steht und unsere Lage versteht. Er will eine gerechte Lösung dieser Frage im Rahmen der internationalen Organisationen, sowie tritt er für die Sicherung der territorialen Integrität, Souveränität der Republik Aserbaidschan ein.

Frage: Ich verstehe Ihre Position vollständig, und möchte noch eine Frage stellen: im Kaukasus sowie in Georgien und Tadschikistan gibt es große Konflikte. Wo liegen Ihrer Meinung nach die Gründe dieser Konflikte? Löst Russland diese Konflikte aus, um seine Positionen in der Region wieder herzustellen?

Antwort: Wissen Sie, unser Konflikt ist für uns selber ein großes Leid. Er beschäftigt uns so sehr, dass ich einfach keine Zeit habe, die Anatomie  anderer Konflikte zu definieren und manchmal sehe ich darin keine Notwendigkeit. Aber jeder Konflikt hat natürlich seine Ursache. Wenn sie bisher noch nicht gelöst sind, dann sind irgendwelche Kreise von außen daran interessiert.

Frage: Können Sie betonen, dass insbesondere Russland einer dieser Kreise ist?

Antwort: Ich habe keine Absicht, irgendeinen Staat zu beschuldigen, denn dafür muss man sehr große Gründe haben.

Frage: Sie haben bereits einen großen Ölvertrag unterzeichnet, an dem sich die westlichen und russische Unternehmen beteiligen. Wird dieser Vertrag Ihrer Meinung nach zur Schaffung der Stabilität in der Region seinen Beitrag leisten?

Antwort: Ja, ich setze große Hoffnungen auf den Ölvertrag, der am 20. September in Baku unterschrieben wurde. Dieser Vertrag stellt die Kontaktaufnahme der Republik Aserbaidschan mit 10 westlichen Ölkonzernen fest, einschließlich der russischen Unternehmen und legt den Grundstein für ihre Zusammenarbeit innerhalb von 30 Jahren. Da diese Ölkonzerne solche große Länder wie die USA, England, Russland, die Türkei, Norwegen, Saudi Arabien vertreten, so entsteht die Möglichkeit, die wirtschaftlichen Beziehungen zwischen Aserbaidschan und den oben erwähnten Ländern zu entwickeln. Ich lege große Hoffnung auf diesen Vertrag und denke, dass er für beide Seiten vorteilhaft wird und für die Integration der Republik Aserbaidschan in die Weltwirtschaft gute Voraussetzungen schaffen wird.

Moderator: Herr Präsident der Republik Aserbaidschan, ich danke Ihnen.

Antwort: Und ich danke Ihnen für die Möglichkeit in Ihrem Fernsehprogramm aufzutreten.

Moderator: Herr Präsident, der New-Yorker Fernsehsender dankt Ihnen.

Antwort: Ich danke dem New-Yorker Fernsehsender ebenfalls und drücke meine Zufriedenheit aus.

Die Zeitung „Aserbaidschan“, den 30. September 1994