Rede und Antworten des Präsidenten der Republik Aserbaidschan Heydar Aliyev auf einer Pressekonferenz in Tokio – Tokio, Nationales Pressezentrum, den 27. Februar 1998


Sehr geehrte Damen und Herren,

Ich begrüße sie – die Medienvertreter und drücke meinen höchsten Respekt für sie aus.

Schon seit vier Tagen bin ich auf Einladung des Premierministers von Japan Herrn Haschimoto zum offiziellen Besuch in Ihrem schönen Land. Dies ist der erste offizielle Besuch des Präsidenten des unabhängigen Aserbaidschans in Japan.

Bevor ich meinen Besuch beende, kann ich sagen, dass ich mit meinem Aufenthalt in Japan und mit den hier durchgeführten Arbeiten sehr zufrieden bin. Ich denke, es war ein erfolgreicher Besuch mit mehreren Treffen, Verhandlungen und Gesprächen.

Ich wurde von Seiner Majestät, dem Kaiser von Japan Akihito empfangen und hatte Gespräche, Treffen, Verhandlungen mit dem Herrn Premierminister Hashimoto, den Regierungvertretern von Japan, insbesondere mit den Ministern für auswärtige Angelegenheiten, Außenhandel und Verkehr. Ich bin im Parlament gewesen und habe eine Gruppe von Abgeordneten getroffen, die den japanisch-aserbaidschanischen Freundschaftsverein vertreten. Ich habe viele Geschäftsleuten von Japan getroffen. Tokio verlassend kann ich sagen, dass ich ab dem 24. Februar bis zur heute insgesamt 38 Treffen hatte. Jedes dieser Treffen war sehr nützlich, interessant und haben auf mich einen guten Eindruck  hinterlassen.

Sowohl die Treffen, Verhandlungen und Gespräche mit dem Herrn Premierminister Hashimoto, als auch die Unterzeichnung von zwischenstaatlichen Unterlagen haben eine besondere Bedeutung. Zusammen mit dem Herrn Premierminister haben wir zwei wichtige Dokumente – eine gemeinsame Erklärung über die Freundschaft und die Zusammenarbeit zwischen Aserbaidschan und Japan und eine gemeinsame Erklärung über die Zusammenarbeit im Wirtschafts- und Handelsbereich unterzeichnet. In diesen Erklärungen werden die Grundprinzipien und Richtungen für die Weiterentwicklung der Zusammenarbeit zwischen zwei Ländern auf allen Bereichen wiedergespiegelt. Es wurden folgende Unterlagen unterschrieben: die Vereinbarung zwischen den Außenministerien von Japan und Aserbaidschan über die gegenseitige Beratung; die Vereinbarung zwischen dem Außenministerium von Japan und der aserbaidschanischen Regierung über die Kreditvergabe in Höhe von 20,7 Milliarden Yen für den Bau des Kraftwerkes “Nord”; Notizen über die Geldzuwendung für Aserbaidschan in Höhe von 4 Millionen Yen.

Wir haben eine Vereinbarung mit der “EX-IM” Bank von Japan über die Kreditvergabe für den Bau des Äthylenproduktionswerkes bei dem staatlichen Unternehmen “Azerkimya” unterzeichnet. Dieses Projekt wird die japanische Firma “Nichimen” durchführen. Der Gesamtwert des Projektes beträgt ca. 95 Millionen USD.

Im Büro des Premierministers wurde die Vereinbarung über die Anteilvergabe dem japanischen “Mitsui” unterzeichnet, wonach die aserbaidschanische Seite die japanische Firma mit einem Anteil von 15 Prozent an dem Projekt für das Ölfeld “Kurdaschi” im aserbaidschanischen Teil des Kaspischen Meeres beteiligen soll.   

Alles in allem sind unsere Verhandlungen mit dem Herrn Premierminister Hashimoto und die unterzeichneten Unterlagen historisch gesehen wichtige Ereignisse und schaffen eine starke Grundlage für die zukünftige, erfolgreiche Zusammenarbeit zwischen Japan und Aserbaidschan.

Wir legen auf die Beziehungen zwischen Japan und Aserbaidschan, insbesondere auf die Zusammenarbeit im Wirtschaftbereich, großen Wert. Ich bin froh, dass es uns während meines Besuches gelungen ist in dieser Hinsicht eine gute Grundlage  zu schaffen.

Ich habe viele Geschäftsführer von japanischen Firmen getroffen. Viele von ihnen sind in der Energie-, Erdöl und Erdgasindustrie tätig. Ich habe diese Firmen getroffen, weil sie großes Interesse an Aserbaidschan, seiner Wirtschaft beziehungsweise an der Erdöl- und Erdgasindustrie zeigen. Die japanische Firma “Itochu” ist Mitglied des ersten großen Konsortiums, das nach dem Vertrag von 1994  zwischen den 11 Erdölgesellschaften über die Erschließung von drei vielversprechenden Ölfelder im aserbaidschanischen Teil des Kaspischen Meeres gegründet wurde. Im Jahr 1996 ist das Unternehmen “Itochu” einem weiteren Konsortium von ausländischen Firmen, für die Bearbeitung der Ölfelder “Dan Ulduzu” und “Eshrefi” im aserbaidschanischen Teil, mit einem Marktanteil von 20 Prozent beigetreten. 

Wie ich schon erwähnt habe, hat gestern noch eine Erdölgesellschaft - “Mitsui” - die Arbeitsberechtigung in Aserbaidschan erhalten. Die japanischen Firmen haben uns sehr viele Angebote vorgestellt, die wir uns alle anschauen werden. Ich bin persönlich daran interessiert, dass sie akzeptiert üerden, damit wir unsere Zusammenarbeit erweitern können.

Um die Zusammenarbeit zwischen Aserbaidschan und Japan noch erfolgreicher zu gestalten, haben wir uns gestern mit Herrn Hashimoto über die Gründung der gemeinsamen zwischenstaatlichen japanisch-aserbaidschanischen Wirtschaftskommission geeinigt.  

Ich halte das für wichtig, dass wir mit Herrn Hashimoto nicht nur wirtschatliche Fragen, sondern auch die internationale Lage, bezeihungsweise die Lage im Südkaukasus wo Aserbaidschan liegt, ausführlich diskutiert haben. Es ist Ihnen bekannt, dass seit 1988 ein militärische Konflikt zwischen Aserbaischan und Armenien  um Berg-Karabach besteht. Dieser Konflikt, der als blutiger Krieg charakterisiert werden kann, hat Aserbaischan enorme moralische und materielle Schäden zugefügt. Im Laufe dieses Konflikts haben armenische Streitkräfte 20 Prozent der aserbaidschanischen Territorien aus unterschiedlichen Gründen besetzt und mehr als eine Million aserbaidschanischer Bürger wurden aus diesen Territorien vertrieben. Zur Zeit wohnen sie in verschiedenen Regionen unseres Landes. Die Mehrzahl von ihnen lebt unter schweren wirtschaftlichen Bedingungen in Zelten.

Im Mai 1994 haben wir mit Armenien ein Waffenstillstandsabkommen unterzeichnet. Seitdem gibt es keine aktiven Kriegshandlungen. Wir führen Verhandlungen für eine friedliche  Beilegung des Konflikts. Als Grundlage hierfür gilt die Lissaboner Erklärung der OSZE von 1996. In dieser Erklärung werden die Richtlinien für die Beilegung des Konflikts aufgelistet: die Anerkennung der terriotorialen Integrität von Aserbaidschan und Armenien, die Verleihung des Selbstbestimmungsrechtes der Region Berg-Karabach innerhalb der Republik Aserbaidschan, die Gewährleistung der Sicherheit für alle Einwohner, sowohl für Armenier als auch für Aserbaidschaner. Aufgrund dieser Richtlinien hat die Minsker Gruppe der OSZE die Lösung in zwei Phasen vorgeschlagen. Die erste Phase sieht den Rückzug der armenischen Streitkräften aus den sechs aserbaidschanischen administrativen Bezirken um Berg-Karabach und die Rückkehr der Flüchtlinge – der Einwohner von den jeweiligen  Bezirken vor. In der zweiten Phase sollen zwei weitere Städte befreit und der Status des Berg-Karabachs festgelegt werden.

Wir haben diese Vorschläge akzeptiert. In Armenien jedoch wurden diese Vorschläge von einem Teil der Regierungschefs akzeptiert vom anderen Teil aber nicht. Der armenische Präsident Ter-Petrosjan, der mit diesen Vorschlägen einverstanden war, hat am 3. Februar seinen Rücktritt erklärt. Armenien befindet sich momentan im Wahlkampf um einen neuen Präsidenten. Deswegen wurde der Verhandlungprozess gestoppt und wird nach der Präsidentenwahl wieder aufgenommen.

Ich möchte gerne erwähnen, dass Japan in der gemeinsamen Erklärung, die wir gestern mit Herrn Premierminister Hashimoto unterschrieben haben, erklärt hat, dass es die territoriale Integrität von Aserbaidschan, auch die Lissabon-Prinzipien der OSZE über die friedliche Beilegung des Konflikts zwischen Armenien und Aserbaidschan, unterstützt. 

Wir denken, dass alle Länder die internationalen Rechtsnormen achten sollen. Die gewaltsame Verschiebung von Grenzen und die Verletzung der territorialen Integrität eines jeden Staates sind unzulässig.

Noch eine Frage die wir gestern mit Herrn Hashimoto diskutiert haben, betrifft die “Seidenstraße”. Ich schätze die Diplomatie und die Doktrin des Herrn Premierministers Hashimoto bezüglich der “Seidenstraße” sehr hoch ein. Ich habe den Herrn Premierminister darüber informiert, dass viele Länder -darunter auch Aserbaidschan - viel für den Wiederaufbau der Straße getan haben. Zum Beispiel wurde ein eurasischer Transportweg geschaffen, worüber  die Waren von Zentralasien nach Europa und zurück über das Schwarze Meer, Georgien, Aserbaidschan und das Kaspische Meer transportiert werden können. Insgesamt 33 Länder liegen entlang der Seidenstraße. Japan ist der östlichste Punkt der Straße. Aserbaidschan liegt in der Mitte dieser Straße. Von dort geht die Straße durch Europa nach Spanien, Portugal und Irland. Auf Initiative der EU ist Ende Mai dieses Jahres  das Treffen der 33 Länder für die Regelung der Fragen betreffend der Weiterentwicklung der Seidenstraße in Baku geplant.

Während meines Aufenthaltes hier haben wir auch viele andere Fragen diskutiert. Wir betrachten Japan als ein Land, das großen Erfolg in seiner wirtschaftlichen und sozialen Entwicklung erreicht hat, seinen Beitrag zur Entwicklung der Weltwirtschaft leistet und die Weltwissenschaft und Zivilisation mit sehr wichtigen Erfindungen, Spitzentechnologien bereichert.   

Ich habe großen Respekt vor dem japanischen Volk, seinem Fleiß, seinen Fähigkeiten. Bevor ich Japan verlasse, wünsche ich dem japanischen Volk viel Glück, Wohlstand und Frieden. Vielen Dank für Ihre Aufmerksamkeit. 

Frage (ITAR-TASS- Agentur): Heydar Aliyev, in Ihren letzten Interviews haben Sie Ihre Meinung in Bezug auf die Verlegung der Hauptleitung von dem Feld in Baku geäußert. Trotzdem möchte ich von Ihnen Ihre Meinung zu dieser Frage, sowie zu den diesbezüglichen Wünschen von Russland, hören. Und was halten Sie von Boris Jelzins Vorschlag ein Treffen mit allen fünf Staaten des Kaspischen Meeres einzuberufen um dessen rechtlichen Status zu bestimmen? Vielen Dank. 

Antwort: Es ist bekannt, dass bereits eine Pipline von Baku mit einer nördlichen Route durch Russland nach Novorossijsk exsistiert und wir darüber das Erdöl exportieren. Eine zweite Leitung wird durch Georgien in den Hafen von Supsa am Schwarzen Meer verlegt und der Bau einer dritten Erdölleitung ist in Planung. Die Teilnehmer des Konsortiums halten deren Bau von Baku nach Ceyhan durch Georgien und die Türkei vom wirtschaflichen Standpunkt aus betrachtet für geeigneter. Es ist bekannt, dass alle Ölleitungen aus den Mitteln von den öltransportierenden Ländern aufgebaut werden. In diesem Fall steht die wirtschaftliche Rentabilität im Vordergrund. Aufgrund dieser Tatsache wird auch die Verlegung der Leitung zum Ceyhan-Hafen im Mitellmer geplant. 

Was Ihre Frage bezüglich des Vorschlags vom Präsidenten Boris Jeltzin über ein Treffen mit den Staaten des Kaspischen Meeres um dessen Status zu bestimmen betrifft, - von dem Ich übrigens bisher nichts wusste und jetzt von Ihnen zum ersten Mal höre - glaube ich, bevor so ein Gipfeltreffen stattfindet, muss man sich gut vorbereiten. Das heißt, man muss sich erst einigen, danach Gipfeltreffen organisieren um eine endgültige Entscheidung zu treffen. Also ich bin nicht gegen das Gipfeltreffen. Aber dieses Treffen muss nach einer guten Vorbereitung auf der Regierungsebene stattfinden.

Frage (die Zeitung “Minity”): Meine Frage betrifft den Friedensprozess um Berg-Karabach. Es ist bekannt, dass sowohl Amerika als auch Russland Armenien unterstützt haben. Jedoch nach Ihrem Besuch im August letzten Jahres in Amerika hat sich die Stellungnahme von Washington geändert und der Stellvertreter des Staatssekretärs Talbott hat Armenien besucht, um diese von dem Friedensprozess zu überzeugen. Daraufhin wurde mit Armenien ein Abkommen unterzeichnet. Wird dieses Abkommen jetzt eingehalten?

Antwort: War er wirklich in Armenien gewesen? Nein, das ist nicht wahr. Das ist eine falsche Information.

Korrespondent: Es wurde vereinbart, dass Talbott die Friedensverhandlungen führen wird. Wird diese Initiative vom Ihm jetzt umgesetzt?

Antwort: Es scheint, Sie haben falsche Informationen. Es gibt die Minsker-Gruppe der OSZE, Russland, die Vereinigten Staaten von Amerika und Frankreich sind die Co-Vorsitzenden. Herr Talbott ist der Co-Vorsitzender aus den Vereinigten Staaten. Bezüglich seines angeblichen Besuches in Armenien liegen uns keine Infomationen vor. Aber wie ich schon erwähnte hatte, die Verhandlungen wurden gestoppt, weil in Armenien ein Regierungswechsel stattgefunden hat. Wir hoffen, dass die Co-Vorsitzenden der Minsker-Gruppe sich objektiv verhalten und sowohl Armeniens als auch Aserbaidschans Interessen gleichmäßig behandeln werden.

Damals wurde Aserbaidschan sehr ungerecht, nicht objektiv beurteilt. Die Verabschiedung der 907. Ergänzung zu der "Akte zum Schutz der Freiheit" im Jahre 1992 bei dem US-Kongress war das Ergebnis dieser Ungerechtigkeit. Dies stellte eine Diskriminierung gegenüber Aserbaidschan dar. Es wurde unter dem Druck der Armenier in Amerika verabschiedet. Ich hoffe, dass jetzt alle Staaten diese Frage gerecht beurteilen werden.

Frage: Besonders nach Ihrem Besuch in den Vereinigten Staaten haben die europäischen und amerikanischen Firmen angefangen in Ihr Land zu kommen. Sind Sie nicht der Meinung, dass die Japaner in dieser Hinsicht zu spät sind?

Antwort: In der Tat sind die Japaner zu spät, was für sie eigentlich ungewöhnlich ist. Die Japaner sind immer und überall die Ersten. Ich glaube, nach meinem Besuch und den Vereinbarungen in vielen Fragen werden die Japaner diese Verzögerung aufholen und wir werden ihnen dabei helfen.