Das Gespräch des Präsidenten der Aserbaidschanischen Republik Heydar Aliyev im Verlauf des Treffens mit der Delegation der Bundesrepublik Deutschland - Präsidentenpalast, den 6. Januar 2001


Heydar Aliyev: Sehr geehrte Gäste, willkommen in Aserbaidschan. Sie mussten lange auf mich warten. Aber wahrscheinlich wissen Sie den Grund dafür. Ich habe mich mit der großen Delegation des Europarats getroffen. Ich dachte, dass von ihnen nur 2-3 Menschen sprechen werden, jedoch sprachen viele. Deshalb kam es zur Verspätung, und Sie mussten warten. Ich bitte, dies als Grund zu berücksichtigen.

Volker Rühe (Mitglied des Parlaments der Bundesrepublik Deutschland, stellvertretende Vorsitzende der Fraktion CDU/CSU): Herr Präsident, wir danken Ihnen für die warme Aufnahme. Sie haben Schwierigkeiten in Fragen des Eintrittes in den Europarat als vollberechtigtes Mitglied und der friedlichen Regelung des armenisch-aserbaidschanischen Konfliktes. Wir unterstützen Sie und billigen Ihre Bemühungen auf diesem Gebiet. Natürlich, sollen sich auch die Europäer zusammen mit Ihnen bemühen, daran arbeiten.

Europa – ein sehr großer Kontinent. Nach dem Weltkrieg wird eine angenehme Tendenz beobachtet - Europa neigt zur Vereinigung. Wir wünschen, dass bei dieser Vereinigung noch einmal bestätigt wird, dass Ihre Region ein Teil Europas ist. Die Stabilität in Ihrem Land ist einer der wichtigsten Faktoren für den Eintritt Aserbaidschans in den Europarat. Wir danken Ihnen persönlich dafür, dass Sie als Garant für die Stabilität in der Region stehen. Diese Lage – das Erreichen eines Waffenstillstands im Krieg zwischen zwei Staaten – ist ein sehr wichtiger Faktor bei der Annäherung mit Europa.

Morgen werden wir nach Sumgait fahren, um uns dort mit der Lage der Flüchtlinge bekannt zu machen. Ich bin in Deutschland geboren. Damals hatte unser Land 7 Millionen Flüchtlinge. Ich war Zeuge davon. Wenn man das mit Ihrem Land vergleicht, so entsteht eine etwa identische Proportion. Wenn in Ihrem Land von 8 Millionen Menschen 1 Million Flüchtlinge sind, so waren seinerzeit in Deutschland von 60 Millionen Bevölkerung 7 Millionen - etwa 10 Prozent - Flüchtlinge.

Meiner Meinung nach, kann der armenisch-aserbaidschanische Konflikt durch Abschluss eines Friedensvertrags beigelegt werden. Wir sollten uns bemühen, in dieser Richtung alles zu machen, was in unserer Macht steht.

Heydar Aliyev: Ich danke Ihnen. Zunächst freue ich mich, dass Sie in unser Land gekommen sind. Zwischen Deutschland und Aserbaidschan existieren sehr gute Beziehungen. Die wirtschaftlichen Beziehungen sind auch bei uns befriedigend. Hauptsache, wir nehmen Deutschland als ein freundliches Land in Europa wahr. In 1996 hat von mir ein offizieller Besuch nach Deutschland stattgefunden Wir haben dort gute Treffen durchgeführt und einige Dokumente unterschrieben. Jedoch hat sich bei Ihnen jetzt die Regierung geändert.

Volker Rühe: Die ehemalige Regierung ist heute die Opposition.

Heydar Aliyev: Das ist so. Zwischen den Parlamenten unserer Länder gab es gute Beziehungen. Ich will anmerken, dass in den letzten zwei Jahren die Verbindung zwischen Deutschland und Aserbaidschan nicht so intensiv war, wie früher. Und, um ehrlich zu sein, beunruhigt es mich. Wir brauchen den Aufbau engerer Beziehungen. 

Sie haben den armenisch-aserbaidschanischen Konflikt angesprochen. Sie wissen, dass für die friedliche Regelung dieser Frage in 1992 die Minsker Gruppe der OSZE geschaffen wurde. Deutschland ist auch ein Mitglied der Minsker Gruppe. Freilich, heutzutage verwirklichen die Tätigkeit der Minsker Gruppe hauptsächlich die Vorsitzenden - Russland, die USA, Frankreich.

In den Jahren 1995/1996 hatten wir mit der Regierung Deutschlands sehr umfangreiche Beziehungen auf diesem Gebiet. Der Außenminister Herr Kinkel kam nach Aserbaidschan, und war auch in Armenien für einige Zeit. Damals wurden einige Bemühungen für die Beseitigung des armenisch-aserbaidschanischen Konfliktes getätigt. Ich wünsche, ein Fortbestehen dieser Beziehung. Damals kamen nach Baku viele Delegationen des Parlaments Ihres Landes. Ich erinnere mich an häufige Besuche von Herrn Wimmer. Er war in Ihrem Parlament, glaube ich, der Vorsitzende der Gesellschaft der aserbaidschanisch-deutschen Freundschaft. Ist es so?

Volker Rühe: Ja.

Heydar Aliyev: Wie Sie wissen, arbeitete Herr Jasper Wick hier in der Botschaft, und hat Erfahrungen in Aserbaidschan gesammelt. Wir haben für Sie eine Fachkraft vorbereitet.

Volker Rühe: Er erntet die Früchte des hier bekommenen Wissens. Vor einiger Zeit waren wir zusammen mit ihm in den Vereinigten Staaten von Amerika, trafen uns mit dem Präsidenten Herrn Bush. Wir wissen, das der Besuch des russischen Präsidenten Herrn Putin in Aserbaidschan erwartet wird.

Heydar Aliyev: Ich freue mich, dass Sie nach Sumgait fahren werden, um sich dort mit den Flüchtlingen zu treffen. Die Lebensumstände der Flüchtlinge in Sumgait sind besser als in anderen Gebieten. Die Mehrheit unserer Flüchtlinge wohnt in Zelten. In Baku, Sumgait, und anderen Städten haben wir sie in verschiedenen Gebäuden untergebracht. Jedoch haben wir keine Möglichkeit, solche Bedingungen für alle zu schaffen. Deshalb lebt der große Teil der Flüchtlinge in Zelten. Stellen Sie sich vor, wie schwierig es ist, 8 Jahre in Zelten zu leben.

Sie haben erwähnt, dass auch Sie Flüchtlinge hatten. Jedoch ist der Unterschied zwischen ihnen riesig, da die Wirtschaftsmöglichkeiten Ihres Landes sehr breit sind. Waren Ihre Flüchtlinge diejenigen, die nach dem Krieg aus Ostdeutschland gekommen sind?

Volker Rühe: Ja diejenigen, die nach dem Zweiten Weltkrieg gekommen sind.

Heydar Aliyev: Nach dem Krieg hat sich Ihr Land sehr stark entwickelt. Der Marshall-Plan und andere Pläne haben große Arbeit in Europa geleistet.

Wir wünschen, dass der armenisch-aserbaidschanische Konflikt auf friedlichem Weg gelöst wird. Jedoch soll es auf Grundlage der internationalen Normen, des Helsinki Pakts, der Prinzipien der OSZE und der Organisation der Vereinigten Nationen geschehen. Und es bedeutet, dass die armenischen Streitkräfte die okkupierten Gebiete Aserbaidschans verlassen sollen. 20 Prozente des Territoriums unseres Landes befinden sich unter ihrer Okkupation. 1 Million Flüchtlinge sind von diesen okkupierten Gebieten vertrieben worden. Es soll die territoriale Integrität Aserbaidschans gewährleistet werden. Auf Grundlage der Entscheidung, die auf dem Lissaboner Gipfel der OSZE in 1996 getroffen wurde, kann Berg-Karabach innerhalb von Aserbaidschan der hohe Status der Selbstverwaltung gewährt werden. Zum größten Bedauern hat die armenische Seite eine destruktive Stellung eingenommen. Und deshalb können wir diese Frage bis heute nicht lösen. Dies hat uns sehr große Probleme bereitet. Und auch die armenische Seite hat seinen Schaden. Es hat eine sehr negative Wirkung auf ihre Wirtschaft. Wenn zwischen Armenien und Aserbaidschan Frieden einkehrt, werden sich Wege öffnen, der Handel wird beginnen, und Armenien wird in vieler Hinsicht davon profitieren. Jedenfalls, wir bemühen uns in diese Richtung und werden dies auch künftig tun. In dieser Sache brauchen wir die Hilfe Europas, einschließlich Deutschlands.

Volker Rühe: Herr Präsident, man muss auch die Rolle Russlands bei dem Erreichen des Friedens zwischen Armenien und Aserbaidschan beachten. Zuerst, wüsste ich gerne die Position Russlands in dieser Frage. Zweitens, würde ich gern wissen wollen, ob man einen bestimmten Impuls bei der Lösung dieses Konfliktes, während des zu erwartenden Besuches Putins nach Baku, geben kann?

Heydar Aliyev: Natürlich, werden wir uns während des Besuches von Präsident Putin in Aserbaidschan mit dieser Frage auseinandersetzen. Jedoch kann ich nichts darüber sagen, welches Ergebnis wir anstreben werden. Ich kann nur sagen, dass Russland für die Lösung der gegebenen Frage über große Möglichkeiten verfügt, da Russland sehr enge Beziehungen mit Armenien unterhält. Russland leistet Armenien eine große Wirtschaftshilfe. Sie arbeiten sogar im militärischen Bereich zusammen. Wir hoffen, dass auch Russland, die Vereinigten Staaten von Amerika, und auch Frankreich, als Vorsitzende, künftig effizienter arbeiten werden.

Die Zeitung «Bakinskiy Rabotschiy», am 9. Januar 2001

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