Erklärung des Präsidenten der Republik Aserbaidschan Heydar Aliyev auf der Pressekonferenz für die ausländischen Journalisten, die bei den Vereinten Nationen akkreditiert sind – New York, Pressezentrum der Vereinten Nationen, den 28. Juli 1997

Sehr geehrte Damen und Herren,

ich begrüße sie. Ich möchte meine Zufriedenheit, über meine Teilnahme an dieser Pressekonferenz im Gebäude der Vereinten Nationen zum Ausdruck bringen. 

Ich kam auf Einladung des Präsidenten Herrn Bill Clinton zu einem offiziellen Besuch in die Vereinigten Staaten. Während dieses Besuches fand ich es notwendig auch die Vereinten Nationen zu besuchen.

Dies ist mein erster offizieller Besuch als Präsident der Republik Aserbaidschan in den Vereinigten Staaten. Morgen werde ich nach Washington fliegen. Dort werde ich verschiedene Treffen im Weißen Haus, im Kongress, im Außenministerium und im Pentagon haben. Der Hauptzweck meines Besuches ist neue Schritte zu unternehmen, um die Beziehungen zwischen den Vereinigten Staaten und Aserbaidschan zu entwickeln.

Aserbaidschan ist ein Land, das seine Unabhängigkeit nach dem Zerfall der Sowjetunion erlangt hat. In unserem Land läuft der Aufbauprozess eines demokratischen, rechtlichen und säkularen Staates. In Aserbaidschan werden demokratische Reformen durchgeführt. Aserbaidschans Wirtschaft wird auf der Grundlage der marktwirtschaftlichen Prinzipien etabliert  und entwickelt.

Im November 1995 wurde die erste demokratische Verfassung in Aserbaidschan verabschiedet. Im Jahr 1995 fanden demokratische Parlamentswahlen auf der Grundlage des Mehrparteiensystems statt.  In Aserbaidschan werden weitreichende Reformen in den Bereichen Wirtschaft und Privatisierung durchgeführt. Im Rahmen der Landreform werden Übertragung von Landesgrundstücken in Privateigentum und andere Programme realisiert. Die positiven Ergebnisse dieser Arbeiten sind schon zu sehen. Obwohl Aserbaidschan im Vergleich zu den anderen Staaten aus einigen objektiven Gründen später angefangen hat diese Reformen durchzuführen, können wir schon in kurzer Zeit die praktischen Ergebnisse dieser Reformen sehen.

Seit letztem Jahr wird eine Belebung in der Wirtschaft beobachtet. Die Inflation wurde vollständig gestoppt und der Außenhandel liberalisiert. Mehr als 80 Prozent der gesamten landwirtschaftlichen Erzeugnisse werden im Privatsektor produziert. In der ersten Hälfte dieses Jahres stieg das Bruttoinlandsprodukt um 5,2 Prozent. Diese Reformen werden weiterhin durchgeführt und deren Umsetzung wird kontinuierlich fortgesetzt werden.

Aserbaidschan ist ein unabhängiger Staat. Die Bewahrung der Unabhängigkeit ist eine der wichtigsten Aufgaben. Auf den Territorien unseres Landes gibt es keine Streitkräfte oder Militärbasen von anderen Staaten. Als ein unabhängiger Staat verteidigt Aserbaidschan selbst seine Grenzen.  

Aserbaidschan hat auch schwere und komplizierte Probleme. Seit 1988 hat Armenien einen militärischen Angriff gegenüber Aserbaidschan angefangen. Der Zweck des armenischen Angriffs war die Trennung der Berg-Karabach Region, ein Teil Aserbaidschans, und deren Anschluss an Armenien. Dieser Angriff verwandelte sich in einen Krieg. Es gab Kämpfe, Blutvergießen und Menschen wurden getötet. Aus einigen Gründen wurden 20 Prozent der aserbaidschanischen Territorien von den armenischen Streitkräften besetzt. Mehr als eine Million aserbaidschanischer Bürger wurden aus ihren Heimatstädten, die von dem Angreifer okkupiert wurden, vertrieben. Die Mehrzahl von ihnen lebt unter schweren wirtschaftlichen Bedingungen in Zelten.

Vor drei Jahren, im Mai 1994 wurde ein Waffenstillstandsabkommen zwischen Armenien und Aserbaidschan unterschrieben. Zurzeit gibt es keine aktiven Kriegshandlungen. Wir halten das Waffenstillstandregime ein und versuchen sowohl den armenisch-aserbaidschanischen Konflikt, als auch den Konflikt um Berg-Karabach friedlich beizulegen.  Die Minsker Gruppe der OSZE ist dafür zuständig. Ab diesem Jahr sind drei Länder – Russland, die Vereinigten Staaten von Amerika und Frankreich - die Co-Vorsitzenden.

Im Dezember des letzten Jahres wurden die Grundprinzipien der friedlichen Beilegung des armenisch-aserbaidschanischen Konflikts auf dem Gipfeltreffen der OSZE verabschiedet. Diese Prinzipien beinhalten die Anerkennung der territorialen Integrität von Aserbaidschan und Armenien, die Verleihung des Selbstbestimmungsrechtes der Region Berg-Karabach innerhalb der Republik Aserbaidschan und die Gewährleistung der Sicherheit für alle Einwohner dieser Region. Für die friedliche Lösung der Frage haben wir diese Prinzipien akzeptiert. Von den 54 Mitgliedstaaten haben 53 diese Prinzipien auf dem Gipfeltreffen in Lissabon unterstützt. Nur Armenien hat dies abgelehnt.

Am 20. Juni dieses Jahres sind die Präsidenten von Russland, den Vereinigten Staaten und Frankreich, die die Co-Vorsitzenden der Minsker Gruppe sind, mit einer gemeinsamen Erklärung in Denver aufgetreten. Sie haben versprochen sich um die friedliche Beilegung  des Berg-Karabach Konflikts zu bemühen.

Wir haben gute Beziehungen zu den Vereinigten Staaten von Amerika. Es bestehen allerdings noch große Möglichkeiten diese zu erweitern und weiter zu entwickeln. Diese Fragen werden in Washington besprochen. Bei dieser Gelegenheit wird auch die Abschaffung des 907. Artikels, der im Jahr 1992 als eine ungerechte Entscheidung gegenüber Aserbaidschan im US-Kongress verabschiedet wurde, diskutiert werden.

Ich lege auf die kommenden Treffen und Verhandlungen großen Wert. Ich glaube, dass nach den Treffen in Washington die aserbaidschanisch-amerikanischen Beziehungen in eine neue Etappe gehen werden. Ich lege auf diesen Besuch große Hoffnungen.

Ich habe heute auch den Generalsekretär der Vereinten Nationen Herrn Kofi Annan getroffen und bin sehr zufrieden damit. Ich habe die positive Haltung vom Herrn Generalsekretär zu unseren Problemen, insbesondere der friedlichen Beilegung des armenisch-aserbaidschanischen Konflikts, bemerkt. Er hat seine Bereitschaft zur Unterstützung der Entscheidungen und Schritte der Minsker Gruppe geäußert.

Wir haben leider wenig Zeit. Deswegen möchte ich meine Rede beenden und werde nun ihre Fragen beantworten.

Frage: Vielen Dank, Herr Präsident. Ich bin sowohl der Vertreter der Zeitung „Al-Hayat“, als auch der Vorsitzender des Journalistenverbands bei den Vereinten Nationen.

Ich habe mehrere Fragen an Sie. Erste Frage: Haben Sie heute während Ihres Treffen mit dem Generalsekretär der Vereinten Nationen Herrn Kofi Annan die Frage bezüglich der Stationierung der UN-Friedenstruppen in der Region, einschließlich der Einbeziehung von UN-Kräften für die Sicherheit der Leitungen, die in der Region aufgebaut werden, diskutiert? Zweite Frage: Heute Abend veranstalten die jüdische Organisationen in Amerika ein Abendessen Ihnen zu Ehren. Bedeutet das, dass Sie den Iran von dem Bau der Ölleitungen entfernen wollen?

Heydar Aliyev: Erstens möchte ich noch mal wiederholen, dass mein Treffen mit Herrn Kofi Annan große Bedeutung hat. Aber wir haben den Einsatz der UN-Friedenstruppen nicht angefordert. Im Dezember 1994 wurde auf dem Gipfeltreffen der OSZE eine Entscheidung über die Errichtung der Friedenstruppen dieser Organisation getroffen. Die Friedenstruppen der OSZE müssen für die Beseitigung des armenisch-aserbaidschanischen Konflikts eingesetzt werden. Herr Kofi Annan äußerte seine Unterstützung dazu.    

Die Ölleitungen sind noch nicht verlegt. Es ist somit zu früh, um Maßnahmen für ihre Sicherheit zu ergreifen. Ich hoffe, dass die Einbeziehung der Friedenstruppen nicht notwendig sein wird. Jedes Land muss die Gewährleistung der Sicherheit der Ölleitungen, die durch seine Territorien laufen werden, übernehmen. 

Ich habe die Einladung zum Empfang der Konferenz der Präsidenten der jüdischen Organisationen sehr gerne angenommen und werde da teilnehmen. In Aserbaidschan leben auch Juden. Wie alle andere nationale Minderheiten in Aserbaidschan sind auch die Juden  gleichberechtigte Bürger unseres Landes. Bei uns wurde nie eine antisemitische, antijüdische Politik durchgeführt. Deswegen ist die Aufmerksamkeit von der Seite der jüdischen Organisationen völlig selbstverständlich. Diese Initiative ist nicht gegen die Interessen irgendeines Landes gerichtet. Vielen Dank.

Samir Sambar: Zur Kenntnisnahme möchte ich mitteilen, dass auch der aserbaidschanische Außenminister hier anwesend ist.

Frage: Herr Präsident, ich möchte meine Frage fortsetzen. Mein wesentliches Ziel ist, mich über Ihre Meinung über den Iran zu erkundigen. Eine Reihe der Staaten protestieren gegen die Verlegung der Ölleitung durch Iran. Ich möchte Ihre Stellung zu diesem Prozess erfahren. 

Heydar Aliyev: Wissen Sie, fragen Sie diejenigen, die protestieren. Wir haben nicht gegen die Verlegung der Ölleitung durch den Iran protestiert. Trotzdem ist die Verlegung der Ölleitungen nicht unsere Aufgabe. Dafür sind die Mitglieder des Konsortiums, Unternehmen die mit Großaufträgen beteiligt sind, zuständig. Wenn das Konsortium entscheidet, wo die Ölleitung verlegt werden soll, werden wir unsere Stellungnahme dazu abgeben.

Frage: Sehr geehrte Herr Präsident Aliyev, ich bin von der türkischen Zeitung „Milliyet“. Ich möchte meine Frage folgendermaßen stellen: Vor kurzem wurde ein Abkommen über die Lieferung des kaspischen Erdöls zum Hafen von Novorossiysk durch Tschetschenien in Baku unterschrieben. Herr Präsident, glauben Sie, dass die Verlegung der Baku-Ceyhan-Pipeline realisiert wird? Wann wird diese Leitung, die durch die Türkei laufen soll, ihrer Meinung nach verlegt werden?

Heydar Aliyev:  In der Tat wurde am Anfang dieses Monats ein Abkommen zwischen Russland, Tschetschenien und Aserbaidschan über die Lieferung des frühen Erdöls durch Russland zum Hafen von Novorossiyk am Schwarzen Meer unterschrieben. Diese Ölleitung existiert schon. Das Abkommen war für die Lieferung des Erdöls durch Tschetschenien erforderlich.

Als ich im Mai dieses Jahres mit einem offiziellen Besuch in der Türkei war, wurden mir sehr viele Fragen über die Verlegung der größten Ölleitung zum Hafen von Ceyhan durch die Türkei gestellt. Wie ich damals erwähnt hatte, möchte ich nochmal betonen, dass ich für die Verlegung der Ölleitung durch die Türkei bin und werde versuchen dies zu erreichen.

Frage: Herr Präsident, mein Nachname ist Avakyan. Ich vertrete die armenische Presse und bin ein Journalist bei dem armenischen Rundfunksender in New Jersey. Meine Frage ist folgende: Sie sind wiederholt gegen die Unabhängigkeit von Berg-Karabach aufgetreten. Angesichts der Ereignisse in Sumgait, Gandscha, Baku und der Blockade um Armenien seit neun Jahren, wie können die Einwohner vom Berg-Karabach glauben, dass sie ihnen die hohe Autonomie gewährleisten werden?

Meine zweite Frage ist: Warum sperrt die aserbaidschanische Regierung seine Territorien für die humanitäre Hilfe zu Armenien, wogegen Armenien die Hilfeleistung durch seine Territorien zu Nachitschewan erlaubt hat.

Heydar Aliyev: Sehr geehrte Dame, Ihre Frage basiert auf den gehässigen Informationen. Nicht Aserbaidschan sondern Armenien hat vor neun Jahren den armenisch-aserbaidschanischen Konflikt gestartet. In einer Zeit, als Armenien und Aserbaidschan in Frieden gelebt hatten, hat Armenien diesen militärischen Konflikt angefangen, um Berg-Karabach von Aserbaidschan gewaltsam zu trennen und an sich anzuschließen. Infolge des militärischen Angriffs von Armenien wurden 20 Prozent der aserbaidschanischen Territorien durch die armenischen Streitkräfte okkupiert. Eine Million der Aserbaidschaner wurde aus diesen Territorien vertrieben. In 1988, bevor der Konflikt ausgelöst wurde, wohnten in Berg-Karabach 170 Tausend Einwohner, 70 Prozent davon waren Armenier und 30 Prozent Aserbaidschaner. Sie lebten dort friedlich miteinander. Aber infolge dieser Besetzung wurden die Aserbaidschaner aus der Berg-Karabach Region vertrieben. Die 7 administrativen Bezirke um Berg-Karabach wurden auch okkupiert. Überwiegend wurden die aserbaidschanischen Einwohner aus ihren Heimatstädten vertrieben. Im Verlauf der Kämpfe wurden Tausende der Aserbaidschaner zum Märtyrer. In den besetzten Territorien wurde alles – Siedlungen, Schulen, Krankenhäuser, Kindergärten, unsere Kulturstätte, historische Denkmäler, Produktionsbetriebe - zerstört.

Keinen Fußbreit der armenischen Territorien sind durch die aserbaidschanische Streitkräfte  okkupiert. Trotzdem fragen Sie, wie man an die hohe Autonomie von Berg-Karabach innerhalb Aserbaidschans glauben kann.

Sie haben an die Ereignisse in Sumgait und Gandscha erinnert. Während des Konflikts passierten überall ähnliche Ereignisse. Aber nichts ist mit der Besetzung der 20 Prozent der aserbaidschanischen Territorien, mit der Vertreibung mehr als einer Million aserbaidschanischer Bürger aus ihren  Häusern, unter denen viele getötet wurden, zu vergleichen. Abgesehen davon glaube ich, dass man stets vorwärts und nicht zurück schauen muss.

Durch eine Fügung des Schicksals sind Armenien und Aserbaidschan Nachbarn. Wir müssen zusammen leben und unsere Beziehungen wiederherstellen. Zwischen unseren Ländern muss der Frieden herrschen und die Menschen sollen Verständnis für einander haben.

Ich sehe, dass Sie ein Buch über die Lage der Flüchtlinge aus den okkupierten Territorien in der Hand halten. Ich würde Ihnen empfehlen, nachdem Sie dieses Buch lesen, sich auch die Videoaufnahmen anzuschauen. Nachdem Sie die Lage dieser Flüchtlinge sehen, werden Sie Ihre Meinung ändern.  

Ich rufe alle zum Frieden auf. Ich bitte Sie allen Armeniern in Amerika mitzuteilen, dass ich alle zum Frieden aufrufe.

Frage: Ich möchte Sie bitten uns über die Erdölverträge, die während Ihres offiziellen Besuches in den Vereinigten Staaten unterschrieben werden, zu informieren.

Heydar Aliyev: Ich kann über die bis jetzt unterschriebene Ölverträge sprechen. Bis zum heutigen Tag hat Aserbaidschan sechs wichtige Ölverträge mit großen transnationalen Konzernen unterzeichnet. Die Teilnehmer von diesen Verträgen sind die Firmen aus den Vereinigten Staaten, Großbritannien, Frankreich, Deutschland, Russland, Italien, Norwegen, der Türkei, dem Iran, Saudi-Arabien und Japan. Neben diesen Verträgen werden noch neue Verträge verhandelt. Es ist auch möglich, dass sie in Washington unterschrieben werden. Haben Sie noch zwei Tage Geduld. Sie werden nach der Unterzeichnung darüber informiert werden.

Vielen Dank!

Die Zeitung „Bakinski Rabotschi“, den 26. August 1997