Das Interwiev des Präsidenten der aserbaidschanischen Republik Heydar Aliyev mit dem Tokio-Reporter von der Nachrichtenagentur Reuters- 27 Februar 1998.

Frage: Meine erste Frage betrifft die Pipeline. Soweit ich das verstehe, sind Sie der Meinung, dass die Pipeline in drei Richtungen gebaut werden muss. Eine dieser Pipelines - von Baku nach Noworossisk - ist schon fertig. Die anderen Pipelines werden von Baku  nach Ceyhan und von Baku nach Supsa verlegt. Es ist mir bekannt, dass Sie auf die Pipeline Baku - Ceyhan besonderen Wert legen. Aus welchem Grund bevorzugen Sie die Pipeline in diese Richtung?

Heydar Aliyev: Wahrscheinlich sind Sie was dies Thema angeht falsch informiert. Wir unterstützen all drei Richtungen. Die erste Pipeline Baku-Noworossisk haben wir schon fertiggebaut und sie wird auch schon genutzt. Sie führt über Russland in den Hafen Noworossijsk am schwarzen Meer. Durch diese Pipeline transportieren wir bereits Erdöl. Eine ähnliche Pipeline bauen wir zur Zeit von Baku über Georgien bis in den Hafen Supsa ans schwarze Meer. Beide sind alternative Pipelines. Das heisst, die eine verläuft  Richtung Norden und die andere Richtung Westen. Ihre Kapazität ist nicht so hoch. Aber Baku-Ceyhan ist eine große Pipeline. Sie kann pro Jahr ungefähr 50-70 Tonnen Erdöl transportieren.

Zum besseren Verständnis für Sie möchte ich erwähnen, dass  eine Pipeline  Richtung Norden schon fertiggebaut ist und bereits zur Verfügung steht. Und die zweite Pipeline über Georgien in den Hafen von Supsa ans schwarze Meer soll bis zum Jahresende fertiggestellt werden. Zur Zeit wird das Projekt für Baku-Ceyhan ausgearbeitet, was auch viel Geld erfordert. Deshalb sind wir der Meinung, dass wir bis zum Jahresende eine Entscheidung über den Baubeginn treffen müssen.

Frage: Das heisst, Sie sind sich noch nicht sicher ob die Pipline gebaut wird oder nicht?

Heydar Aliyev: Doch. Nur muss das Projekt dafür komplett ausgearbeitet und einige finanzielle Fragen  müssen gelöst sein. Das ist es, worüber wir nachdenken.

Frage: Ist die internationale Operating Company mit diesem Plan einverstanden?

Heydar Aliyev: Grundsätzlich ja.  Es bestehen von ihrer Seite jedoch noch einige  Fragen bezüglich der Finanzierung der Pipeline. Daran muss noch gearbeitet werden.

Frage:  Können Sie etwas über den Zeitplan,  bzw. über den Zeitpunkt der Fertigstellung sagen?

Heydar Aliyev: Über die Fertigstellung kann ich nichts sagen. Aber ich denke, bis zum Jahresende sollte uns der Baubeginn gelingen. Laut dem von uns 1994 unterzeichneten Vetrag sollen die Bauarbeiten 4 Jahre dauern.

Frage: Dann kann man zu dem Ergebniss kommen, dass die Pipline im Jahr 2002 schon zur Verfügung stehen wird?

Heydar Aliyev: Ich wünsche es mir, dass es so sein wird.

Frage: Meine nächste Frage betrifft die Bohrungsarbeiten. Werden Sie fremden Unternehmen die Möglichkeiten für Bohrungsarbeiten in Aserbaidschan einräumen?

Heydar Aliyev: Ohne Bohrungsarbeiten bekommt man ja kein Erdöl. Möglicherweise wurde die Frage falsch übersetzt oder Sie haben die Frage nicht richtig gestellt? Wahrscheinlich interessiert Sie der Anteil an fremden Unternehmen auf den neuen Feldern?

Journalist: Genau.

Heydar Aliyev: Wissen Sie, Aserbaidschan ist reich an Ölvorkommen. Für die zukünftige Nutzung dieser Vorkommen werden wir unsere Zusammenarbeit mit fremden Unternehmen fortführen.  

Frage: Können Sie sagen wann das sein wird und welche Vorkommen darunter gemeint sind?

Heydar Aliyev: Das machen wir ständig. Zum Beispiel im Jahr 1994 haben wir den ersten Vertrag unterzeichnet. Seitdem ist nich viel Zeit vergangen und wir haben bereits 9 Verträge unterzeichnet. Einige japanische Unternehmen haben ein Konsortium gegründet mit der Absicht, gemeinsam auf einem unserer Felder zu arbeiten. Sie baten uns um Einverständnis für die Unterzeichnung des Vertrags. Aber da müssen wir vorher noch einiges klären da für mich noch ein paar Fragen offen sind. Deshalb habe ich die Entscheidung verschoben.

Also, dieser Prozess wird bei uns fortgesetzt. Die großen Ölgesellschaften der Welt zeigen immer mehr Interesse für die Ölvorkommen in Aserbaidschan. Wir haben einige Ölfelder mit Perspektive. Einige ausländischen Unternehmen haben sie sich bereits angeschaut und sind mit deren Möglichkeiten vertraut und schicken uns Anfrage über eine Zusammenarbeit.

Frage: Dann kann ich zu dem Erbegniss kommen, dass Aserbaidschan seine Vorkommen auch in  Zukunft für ausländische Unternehmen offen halten wird?

Heydar Aliyev: Ja, ganz richtig.

Frage: Gestern sollten Sie gemeinsam mit dem japanischen Premierminister Hashimoto einen Vertag über die Zusammenarbeit mit dem von den japanischen Unternehmen gegründeten Konsortium in Aserbaidschan unterzeichnen. Dies fand jedoch nicht statt. Die japanische Seite behauptet, die aserbaidschanische Seite habe die Unterlagen etwas verspätet eingereicht. Stimmt das?

Heyar Aliyev: Nein, das stimmt nicht. Sie wissen, wir behandeln diese Verträge sehr streng. Jede Frage und jede Bedingung muss geklärt sein. Wir schließen ja auf Jahrzehnte geltende Verträge. Deshalb darf man nichts überstürzen, wenn noch irgendwelche Frage offen sind. Die Unterlagen, welche vom Konsortium der japaischen Unternehmen gemeinsam mit der staatlichen Ölgesellschaft  Aserbaidschans vorbereitet wurden, sind nicht vollständig. Einige Bedingungen bleiben da ungeklärt. Deshalb konnten wir dieses Abkommen nicht unterzeichnen.

Gestern haben wir in der Residenz vom Premierminister Hashimoto ein Abkommen mit dem Unternehmen “Mitsiu” unterzeichnet. Da war alles klar. Über einen Teil jenes Ölvorkommens haben wir im September letzten Jahres ein Abkommen mit dem italienischen Unternehmen unterzeichnet. Gestern haben wir dessen Anteil von 15% der Firme “Mitsiu” übergeben. Denn da waren alle Bedingungen klar und “Mitsiu” hat sich auf höhere Bedingungen geeinigt als “Eni Acip”. Deshalb haben wir das Abkommen mit ihnen unterzeichnet.

Ich denke, dass wir dieses Abkommen in Zukunft ebenfalls unterzeichnen werden können. Gestern habe ich ihnen nochmals zwei Monate Zeit gegeben um die Unterlagen zu überarbeiten. Sobald die Unteragen fertig sind und die Bedingungen feststehen, können wir auch dieses Abkommen unterzeichnen.

Frage: Können Sie etwas über die Regierungspläne in Bezug auf die Ölraffination und den Chemisektor sagen?

Heydar Aliyev: Diesbezüglich haben wir viele Pläne. Erstens in Bezug auf den Chemisektor. Da haben wir mit dem Unternehmen “Nichimen” ein großes Abkommen unterzeichnet und von der japanischen Exim-Bank ein Kredit genommen. Der Kredit beträgt 75 Millionen Dollar und die Gesamtkosten für das Projekt – bis zu 100 Millionen Dollar. Das Unternehmen Nichimen wird dort mit uns zusammenarbeiten.

Frage: Aserbaidschan befindet sich geo-politisch in einer zerbrechlichen Lage. Nördlich von Russland, südlich vom Iran und westlich von Armenien und der Türkei umgeben. Wie finden Sie die Beziehungen Aserbaidschans zu seinen Nachbarstaaten.

Heydar Aliyev: Wir wollen mit unseren Nachbarn friedlich unter einem Dach leben. Mit der Türkei haben wir sehr enge Freundschaftsbeziehungen. Mit Russland und dem Iran sind unsere Beziehungen auch freundschaftlich. Wir haben noch einen weiteren Nachbarstaat - Georgien. Mit Georgien haben wir ebenfalls ein freundschlaftliches Verhältnis.

Dass wir uns mit Armenien in einem Kriegszustand befinden, ist ihnen bekannt. Vor 10 Jahren begann Armenien mit militärischen Agressionen gegen Aserbaidschan. Sie begannen diese Angriffe mit dem Ziel, sich den ursprünglichen Teil Aserbaidschans Berg-Karabach anzueignen. So brach der Krieg aus, es wurde Blut vergossen und 20 % der Gebiete Aserbaidschans wurden von den armenischen Streitkräften besetzt. Über eine Million Bürger Aserbaidschans wurden aus diesen besetzten Gebieten vertrieben.

Zwar leben wir seit etwa vier Jahren in einem Waffenstillstandsregime und es gibt keine Kämpfe, jedoch haben wir noch keine Endergebnisse erzielt.

Die geo-politische Lage Aserbaidschans ist im Grunde genommen stark und profitabel. Nur die Beziehungen zu uns sind kompliziert.

Frage: Russland und Iran schlagen eine gemeinsame Nutzung der Öl-und Gasvorkommen des Kaspischen Meeres zwischen den Anrainerstaaten vor. Soweit ich das verstehe, bestehen Sie und noch zwei andere Staaten auf die Nutzung dieser Vorkommen nach eigenen Wünschen jedes einzelnen Landes. Inwieweit sind Sie mit Russland und dem Iran einverstanden oder nicht einverstanden?

Heydar Aliyev: Wir schlagen eine Nutzung der Mineralvorkommen des Kaspischen Meeres nur durch eine sektorale Aufteilung des Kaspischen Meeres vor. Während der Sowjetzeit wurde das Kaspische Meer in Sektoren aufgeteilt. Selbst zwischen dem Iran und der UdSSR wurde das Kaspische Meer in Sektoren aufgeteilt. Diese Tradition geht seit Jahrzehnten weiter. Wir betrachten das als angemessenste Prinzip. Auch im aserbaidschanischen Bereich arbeiten wir nach diesem Prinzip. Kasachstan stimmt diesem Prinzip auch zu. Nur Russland und Iran sind damit bisher nicht einverstanden. Aber ich denke, es gibt keine bessere Alternative als diese.

Frage: Sind Sie davon überzeugt, dass es keine bessere Alternative geben kann?

Heydar Aliyev: Keine bessere als diese. Ich hoffe,die anderen Staaten kommen auch bald zu dieser Erkenntnis.

Frage: Ich danke Ihnen, dass Sie sich die Zeit genommen haben und für Ihre Informationen. Vielen Dank, dass Sie mir diese Möglichkeit eingeräumt haben.

Ist es wahr, dass Sie  im Jahr 1987 in der Sowjetunion die einzige Person waren, die offen über das Tschernobyl-Unglück gesprochen hat?

Heydar Aliyev: Das war nicht im Jahr 1987 sondern 1986. Ja, als diese Frage im Politbüro der ZK besprochen wurde, habe ich Gorbatschow und die anderen Mitgliedern des Politbüros darauf hingewiesen,  dass man so etwas nicht verbergen oder geheim halten darf, sondern der Welt offen legen muss. Daraufhin entstand damals ein Konflikt im Politbüro zwischen mir, Gorbatschow und Ligatschow

Frage: Waren Sie der Einzige mit diesem Vorschlag?

Heydar Aliyev: Ich war der Einzige. Aber dann stimmte auch Jakowlew dieser Meinung zu. Er war zu der Zeit auch ein Mitglied des Politbüros.

Journalist: Herr Präsident, ich danke Ihnen noch einmal.