Gemeinsame Erklärung aus der Presskonferenz zu den Verhandlungsresultaten zwischen den Präsidenten der Aserbaidschanischen Republik und des Iran - Den 28. Oktober 1993

 Sehr geehrter Herr Präsident, sehr geehrte Damen und Herren,

der Präsident der Islamischen Republik Iran Haschimi Rafsandschani, der von einer Gruppe hochrangiger Regierungsvertreter begleitet wird, unternimmt binnen drei Tagen seinen ersten Staatsbesuch in Aserbaidschan. Es ist zu bemerken, dass erstes Mal in der Geschichte des unabhängigen Aserbaidschans iranische Delegation aus den hohen Regierungsbeamten zusammengesetzt sind. Die unterzeichneten Akten sind auch seit der Unabhängigkeit Aserbaidschans die Ersten zwischen den beiden Staaten. Wir sind mit den erzielten Resultaten des Zusammenterffens und dem Ablauf der Verhandlungen höchst zufrieden und ich hoffe sehr, die heute unterzeichneten Dokumente signalisieren den Beginn einer neuen Etappe in den Beziehungen der Freundschaft und Zusammenarbeit zwischen Aserbaidschan und der Islamischen Republik Iran.

Die Zeit, in der sich der Präsident und ihn begleitende Regierungspersonal in Aserbaidschan als Gäste aufhielten, fiel mit einer neuen Schwierigkeit für Aserbaidschan zusammen. Armenische Militärtruppen haben in den letzten Tagen die aserbaidschanische Ortschaften erneuten Angriffen ausgesetzt. Zengilan ist seit drei Tagen von allen Seiten belagert.

Wir hatten mit Herrn Rafsandschani angesichts der Kriegssituation und Aggression des armenischen Militärs gegen Aserbaidschan eine breite Diskussion. Herr Rafsandschani hat sich diesbezüglich auch bemüht und führte direkte Gespräche mit der armenischen Partei über die sofortige Beendigung des Kriegszustandes. Wir denken, dass die Regierung des Iran und Herr Rafsandschani in dieser Richtung weiter arbeiten und alles mögliche tun werden, um Aserbaidschan von der Aggression zu retten.

Wie Herr Rafsandschani, möchte ich auch unterstreichen, dass wir mit dem Verlauf der Verhandlungen und den derzeit unterzeichneten Dokumenten ganz zufrieden sind. Wir denken, dass dieser Besuch sehr nützlich war und ich hoffe, dass sich unsere Freundschaft und Zusammenarbeit weiterhin so entwickeln wird. Ich bedanke mich herzlich beim Herrn Rafsandschani für seinen Besuch und wünsche allen unseren Gästen aus der Islamischen Republik Iran viel Erfolg. Danke.

Frage:
Herr Rafsanschani, Sie sind seit drei Tagen in Aserbaidschan und haben an vielen Treffen teilgenommen. Ich möchte gerne wissen, nicht als Präsident der Islamischen Republik Iran, sondern als ein Bürger des iranischen Staates, an welches Treffen werden Sie sich auf Dauer erinnern?

A. Haschimi Rafsandschani: Es ist schwierig, Ihre Frage bzw. welche Tage in meiner Erinnerung bleiben, zu beantworten, da sie alle für mich sehr gut abgelaufen sind. Seit ich den Boden dieses Landes betreten habe, wurde ich hier vom Herrn Heidar Alijew und von anderen Staats-und Regierungsbeamten sehr freundlich empfangen Ich fühle mich hier wie zu Hause. Alle Orte, wo ich war, sei es die Kulturzentren oder die Industriebetriebe, waren für uns vom enormen Interesse. Die Begegnungen mit den verletzten Soldaten im militärischen Hospital und der Besuch in der Märtyrerallee hinterließen in meinem Gedächniss Spuren, die nicht einfach zu verwischen sind. Für mich ist am bedeutendsten, dass zwischen uns eine gegenseitige Verständigung und freundliche Kommunikation herrscht, was unsere künftige Beziehungen sicherstellt. Noch bedeutender ist aber, dass wir hier von den Menschen, Aserbaidschanern in guter Stimmung empfangen wurden. Dies lässt uns künftig an die Entwicklung glauben.

 Frage: Sehr geehrte Präsidenten, war auch die Frage der Benutzung des iranischen Territoriums für die Verlegung der Ölpipeline-Route, die sich bis zu den Küsten des Mittelmeers ausdehnen soll, das Thema in denVerhandlungen, und wenn der Krieg auf dem Territorium Aserbaidschans noch weitere Maßstäbe annimmt, würde die aserbaidschanische Führung Russland, den Iran oder andere Staaten um die militärische Hilfe bitten?

Haschimi-Rafsandschani: Wollen wir den ersten Teil Ihrer Frage präzisieren? Ich meine die Frage mit der Route über iranisches Gebiet bis ans Mittelmeer? An wen richtet sich diese Frage?

Journalist:
Ich bitte beide Präsdenten um die Antwort. 

Haschimi-Rafsandschani: Die transiranische Variante des Pipelines ist noch nicht zur Protokollierungs- und Vereinbarungsstufe gelangt.Ob die Erdölleitung über iranisches Territorium geführt wird, dies können wir jegliche Zeit diskutieren. 

H. Aliyev: Ich bin auch der Ansicht, es ist noch unklar, welche Trasse die Ölpipeline annehmen und durch welches Land das Öl transportiert wird. Man soll auch bei diesen Prozessen nicht voreilig sein. Diese Fragen sind auf der Basis der Verhandlungen einiger Staaten zu lösen. Zu welchen Ergebnissen sie führen, dem sei geschehen. Ich danke dem Herrn Präsdenten dafür, dass er jetzt seine Bereitschaft zu dem Verlauf der Ölpipeline durch das Gebiet seines Landes angekündigt hat. Was den zweiten Teil der Frage anbelangt, möchte ich sagen, dass wir in eine kritischen Situation, in die Kriegssitaution geraten sind. Ohne Zweifel müssen wir unsere Staatsterritorien selbst verteidigen und wir beruhen dabei auf unseren eigenen Kräften, auf den Kräften unseres Volkes, um unsere Böden von den Erobern zu befreien. Welche Mittel dabei eingegriffen werden, ist noch nicht bestmmt. 

Frage: Meine erste Frage richtet sich an den Präsidenten des Iran. Die Situation an der aserbaidschanischen Grenze mit dem Iran hat sich angesichts der Ereignisse in Zengilan weiter verschärft. Im Hinblick darauf ist irgendeine Gegenaktion seitens des Iran zu erwarten?

A. Haschimi-Rafsandschani: Wir appelierten gestern in meinem Namen an den armenischen Präsidenten. Wir haben ihm angedeutet, dass er uns sein Versprechen gegeben hat, dass armenische Truppen nicht weiter als besetzten Territorien voranschreiten. Ich habe bemerkt, dass er sich an seinem Versprechen halten sollte. Ich habe ihn sogar daran erinnert, dass die Fortdauer der kriegerischen Aktionen zahlreiche Flüchtlinge zur Folge hat und dies lässt weitere Probleme auftauchen. Am Nachmittag wurde es mir berichtet, dass das Feuer an der Kriegslinie eingestellt wurde. Herr Heidar Alijew hat die gleiche Nachricht über die Einstellung des Feuers in Zengilan erhalten. Wir werden die gefährliche Lage an unserer Grenze nicht lange dulden. Ich gehe hoffnungsvoll davon aus, dass sich die Situation bessern wird.

Frage: Meine zweite Frage ist für den Präsident Heydar Aliyev. Es wurden viele Verträge abgeschlossen, jedoch keiner davon bezieht sich auf die Frage der militärischen Verteidigung? Sind auch solche Vereinbarungen in der Aussicht? 

 H. Aliyev: Wenn sie vorgesehen wären, wären sie bereits abgeschlossen worden.

Frage: Nach der Meinung einiger Analytiker stehe die Situation in Zengilan mit der ignorierenden Haltung Aserbaidschans zu den russischen Angeboten in Zusammenhang. Es handelt sich um die Rückkehr der russischen Truppen nach Aserbaidschan und die Ablehnung der russischen Angebote zu dem Status des Kaspischen Meeres. 

H. Aliyev: Es kann auch sein, dass es Ihre persönliche Meinung ist. Wir verfügen über keine Art solcher Informationen, da es uns bisher seitens Russland kein solches Angebot gemacht worden war.

Frage: Meine erste Frage gilt wieder für den Herrn Präsident Heydar Aliyev. Herr Präsident, insbesondere, während die Temperaturen sinken und sich die Wetterlage verschlechtert, wäre es interessant, Ihre Stellungnahme zu wissen, gab es auch in den Verhandlungen die Themen hinsichtlich der Aufnahme von der Seite des Iran der weiteren Flüchtlingströme und hat der Iran diesbezglich seine Hilfe bekundet?

H. Aliyev: Ja, es stimmt, mit dem Herrn Haschimi Rafsandschani haben wir dieses Thema mehrmals besprochen und wir hoffen, der Iran und persönlich Herr Haschimi Rafsandschani werden die Hilfeleistung bei unseren Flüchtlingen fortführen.  

A. Haschimi-Rafsandschani: Ich habe meine Position dem Herrn Alijew als folgend dargelegt, dass Ihre Flüchtlinge uns an unsere eigene Flüchtlinge in den Kriegszeiten erinnern. Ihre Flüchtlinge können jede Zeit zum Bewohner auf dem iranischen Boden werden. Dennoch bevorzugen wir als bessere Variante, dass sie in ihre Heimat und Häuser zurückkehren. Der Zustand eines Flüchtlings ist höchst schwierig. Darum war unsere Präferenz, dass sie noch in ihren Heimatsorten bleiben. Aus unserer Erfahrung der Kreigsgeschehen sind wir zur Feststellung gekommen, dass die Menschen ihr Ziel viel früher erreichen, wenn sie ihre Heinatssiedlungen nicht verlassen. Schauen Sie auf das Beispiel von Palastina: die Palastinänser werden hin und her vertrieben und ihre Heimkehr verschiebt sich immer wieder auf eine unbestimmte Zeit. Aber andere Palastinänser kämpfen erfolgreich in ihren Wohnorten gegen israelishe Eroberer. In Bosnien ist die Situation genauso. Wir helfen, aber wir ermuntern keineswegs ihre Flucht. Die Frauen, Kinder können zwangsweise in Flucht getrieben werden, die junge Männer sollten hingegen das nicht für ehrwürdig halten. Sie sollen tapfer kämpfen. Danke.

Frage: Aus der Position des Irans zu den Ereignissen iu Aserbaidschan, Afganistan und Bosnien-Herzogovina stellt sich heraus, Iran bekennt sich wahrlich zum Frieden. Wir möchten die Ereignisse in Tadschikistan durch unser eigenes Prisma sehen und sagen, welche Vorkehrungun wird Iran treffen, um den Frieden und Stabilität in Tadschikistan zu wiederherstellen? 

A. Haschimi-Rafsandschani: Während unserer Reisen in Zentralasien und in den benachbarten Ländern von Tadschikstan sind wir mit den Regierungsführern zu dem gemeinsamen Einverständnis gekommen, dass gemeinsame Aktionen erforderlich sind. Als Erstes wurde über das Zusammentreffen der Außenminister vom Iran und Tadschikistan und Erörterung der Lösungswege für Sicherheit und Friedenserhalt beschlossen. Inschaallah, nach meiner Rückreise nach Teheran wird dies unsere erste Aufgabe sein.

Frage: Wie werden die Ereignisse in Aserbaidschan von den GUS-Staaten bewertet, nachdem Aserbaidschan zur GUS beigetreten ist. Sind irgendwelche Maßnahmen vorgesehen?

H. Aliyev: Unsere Mitgliedschaftsziele innerhalb der GUS sind von den kriegerischen Auseinadersetzungen mit Armenien weit entfernt. Dennoch ist es bekannt, dass wir uns in einem intensiven Verhandlungsprozess mit dem Außenministerium Russlands befinden, der auch das Thema armenische Aggression gegen Aserbaidchan beinhaltet. Die andere Mitgliedstaaten halten sich in dieser Frage eher zürück. 

Frage: Sehr geehrter Herr Präsident, ist es möglich, dass der Iran von den Verhandlungen um Berg-Karabach und von Deklarationen zu konkreten unmittelbaren Handlungen übertritt? Wenn ja, unter welchen Umständen halten Sie es für möglich?

A. Haschimi-Rafsandschani: Ich bin von der Unbrauchbarkeit des unmittelbaren Handelns überzeugt. Ich sehe ein, Sie meinen den militärischen Einsatz. Sicherlich werden wir alles tun, um die Sache nicht so weit kommen zu lassen. .

Frage: Herr Haschmi Rafsandschani, Herr Heydar Aliyev. Inwieweit ist es immerhin berechtigt, auf den Vermittlungserfolg der internationalen Organisationen in der Frage der schnellen Konfliktbeilegung zu hoffen?

H. Aliyev: Wir setzen große Hoffnungen in die Tätigkeit der internationalen Organisationen und werden es weiter tun. Zur Frage kommen hauptsächlich die Vereinigten Nationen und der VSZE. Die nicht positive Ergebnisse ihrer Tätigkeit zur Konflikregelung sind offensichtlich. Trotzdem können wir auf die Vermittlung der weltweit anerkannten Organisationen, die die Weltgemeinschaft vertreten, nicht verzichten. Ganz im Gegenteil, wir bemühen uns und werden es auch weitertun, von der Potenzial dieser Organisationen maximal Gebrauch zu machen. Ich wandte mich an die UNO und den Sicherheitsrat mit der Bitte, dass sie den agressiven Vormarsch armenischer Truppen in Karabach an die Tagesordnung ihrer Diskussionen setzen.

A. Haschimi Rafsandschani: Ich denke auch ähnlich wie Herr Alijew, dass der Friedenseinsatz internationaler Organisationen zu begrüßen ist und ihnen in ihrer Vermittlung keinerlei verweigert werden sollte. Gleichzeitig aber ist es den Konfliktsparteien überlassen, an eigenes Schicksal zu denken. Außer sich selbst wird kein Anderer sich mehr um die Konfliktparteien kümmern.

Frage: Bezugnehmend auf die historische, soziale und kulturelle Verwandschaft mit Aserbaidschan lauet häufig die Behauptung in westlichen Pressemeldungen, dass der Iran und die Türkei um die Annährung mit Aserbaidschan ringen. Würden Sie dieser Behauptung zustimmen?

A. Haschimi, Rafsandschani: Solche satanistischen Aussagen kommen in den Presseberichten imperialistischer Kreisen gewiss vor. Ich klage sogar über unsere Presse, wo auch auf Zeitungsseiten solche Aussagen anzutreffen sind. Ich möchte, dass beide Staaten unter sich einander für die Zusammenarbeit mit Aserbaidschan zusammenarbeiten. Natürlich ist dem Wettkampf in den wirtschaftlichen Beziehungen kaum etwas entgegenzusetzen. Selbst innerhalb eines Staates kann man der Konkurrenz unterschiedlicher Organisationen, Verbände nicht entkommen. Das ist natürlich. Hinter der Absicht, mit Aserbaidschan wirtschaftliche Beziehungen herzustellen, steckt sich nicht das Ziel, sich hier Einflußsphäre zu verschaffen. Wir wollen nur kooperieren. Ich hoffe, die Türkei hat gleiche Zielvorstellungen wie wir.

Frage: Über Flüchtlingsprobleme hinaus, welche andere Probleme entstehen für den Iran durch die faktische Okkupation aserbaidschanischer Territorien entlang der iranischen Grenze und durch die Tatsache, dass armenische Armeekräfte 70 km lange Grenze Aserbaidschans an den Iran kontrollieren.

A. Haschimi-Rafsandschani: Ich habe bereits in meiner vorherigen Antwort darauf hingewiesen, dass ich mit der Forderung an armenischen Präsidenten herangetreten bin und ihm deutlich gemacht habe, dass der jetzige Stand der Dinge für uns unzulässig ist. 

Die Zeitung \"Aserbaidschan\", den 29. Oktober 1993, übersetzt aus dem Aserbaidschanischen.