Rede des Präsidenten der Republik Aserbaidschan Heydar Aliyev an der Sitzung bei der Vertretung der Republik Aserbaidschan bezüglich tragischer Ereignissen in Baku am 20. Januar 1990 - Moskau, den 21. Januar 1990

Sehr geehrte Genossen,

meine Damen und Herren,

wie Sie wissen, führte ich die Parteiorganisation Aserbaidschans viele Jahre lang. Ich wurde zum Mitglied des Politbüros des ZK der KPdSU gewählt und war als erster Stellvertretender Vorsitzender des Ministerrates der UdSSR tätig. Mehr als 2 Jahre bin ich außer Dienst, ich hatte einen ernsten Herzinfarkt durchgemacht und bin krankheitshalber in Pension gegangen. Im Dezember 1982 habe ich Aserbaidschan verlassen. Heute habe ich zum erstenmal die Schwelle der ständigen Vertretung der Aserbaidschanischen SSR in Moskau überschritten. Die Tragödie, die in Aserbaidschan geschah, hat mich hergeführt. Ich erfuhr gestern früh davon und konnte natürlich bei diesem Ereignis nicht ungerührt bleiben. Zuallererst bin ich hierher in die Vertretung, die gerade eine kleine "Insel" von Aserbaidschan in Moskau ist, gekommen, um dem aserbaidschanischen Volk wegen der Tragödie, die die großen Opfer veranließ, meine Kondolenz auszudrücken. Zweitens möchte ich mein Verhältnis zu äußern. Ich bitte den Vertreter von Aserbaidschan in Moskau Zöchrab Ibrahimov darum, dass er dem aserbaidschanischen Volk meine Beileidsworte und tiefe Trauer richtet. Leider habe ich jetzt keine andere Möglichkeit.

Bezüglich der Ereignisse, die in Aserbaidschan geschehen, halte ich sie für ungesetzlich. Sie sind gegen die Demokratie und widersprechen völlig dem Humanismus und den Prinzipien des Aufbaues des rechtlichen Staates in unserem Land. Es liegt gewisse Gründe der in Aserbaidschan entstandener Situation. Ich möchte nicht ins Einzelne gehen, es hätte viel Zeit in Anspruch genommen. 2 Jahre lang dauert der zwischennationale armenisch - aserbaidschanische Konflikt, der aus den Ereignissen in der Berg - Karabach-Region und um sie herum entstanden ist. 2 Jahre sind eine angemessene Frist für die Führer von Aserbaidschan und Armenien, die Spitzenbeamten der politischen und Parteiführer des Landes, um diese Frage zu regeln, dem Bürgerkrieg, ethnischen Konflikten ein Ende zu machen, und die Bedingungen für den freien Aufenthalt jedes Menschen - unabhängig von seiner nationalen Zugehörigkeit - in unserer allgemeinen Föderationsvereinigung der UdSSR zu schaffen.

Doch meine ich, dass es innerhalb dieser zwei Jahre keine ausreichenden Maßnahmen in dieser Richtung getroffen wurde. Falls am Anfang der Verwickelungsgefahr in Berg - Karabach von den Spitzenbeamten der politischen und Parteiführer des Landes die notwendigen Maßnahmen getroffen werden wäre, so würden wir heute die Eskalation der Gespanntheit und der Verluste, die von beiden Seite innerhalb dieser zwei Jahre erlitten wurden, und jene in der Nacht vom 19. auf den 20. Januar 1990 vorgenommene Militäraktion, die viele Menschenopfer gebracht hatte, nicht beobachten.

Es ist zuallererst der Fehler des ersten Exsekretärs des Zentralkomitees der kommunistischen Partei Aserbaidschans - Abdurakhman Vezirov. Während seiner Macht hat er nichts für die Stabilisierung der Situation in Aserbaidschan geleistet. Genau das Gegenteil war der Fall. Es hat sich durch die Fehlaktionen und seinen Arbeitsstil, nachteilige politische Manöver dem Volk entgegengesetzt. Er hat einen Abgrund zwischen sich selbst und dem Volk geschaffen. Das Volk wurde aufgebracht. Innerhalb einiger Monate in Baku, in anderen Städten und Bezirken Aserbaidschans geführter Protestkundgebungen wurde die Forderungen auf den Abtritt der Parteiführung Aserbaidschans gehoben. Die Rede war nämlich vom Vezirovs Abschied. Es ist unverständlich, warum diese Frage bisher nicht entschieden worden war. Und erst gestern wurde es alles nach dem Truppeneinsatz in Baku kurz und klein geschlagen. Und danach ist Vezirov eigentlich aus Aserbaidschan davongelaufen. Der größte Fehler war seinerzeit die Ernennung solch einen untauglichen Menschen seinerzeit zum ersten Sekretär des Zentralkomitees der kommunistischen Partei Aserbaidschans. Und das war auch kein Einziger.

Ich möchte jetzt im Detail über das tragische Ereignis sprechen, das in der Nacht vom 19. auf den 20. Januar geschah und noch weitergeht. Ich meine, dass die Reserven der politischen Regelung der Situation in Aserbaidschan existierten. Die Führung von Aserbaidschan und hohe politische Staatsführung haben all diese Möglichkeiten nicht ergriffen. Das Ereignis an der Grenze hätte es verhindert werden können. Die Leute haben doch im Zusammenhang mit der Grenzlinie vor 3 Monaten Forderungen gehoben. Aber niemand wollte sich mit ihnen treffen, eine Aufklärungsarbeit durchführen oder die geeigneten Maßnahmen treffen.

Ich wiederhole: es gibt noch Möglichkeiten, um die Leute zu beruhigen. Wenn vor 2-3 Monaten das Problem der Parteiführung in Aserbaidschan gelöst worden wäre, so wären vielleicht keine Voraussetzungen und keine Notwendigkeit, militärische Truppen einzusetzen. Aber unter allen Umständen glaube ich, dass die Möglichkeiten für die politische Regelung der Frage, des Dialoges mit dem Volk vorhanden waren. Doch waren sie nicht verwendet, und infolgedessen wurde die großen Kontingente der Sowjetarmee und die Truppen des Innenministeriums der UdSSR in der Nacht vom 19. auf den 20. Januar in Baku eingeführt. Tragische Folgen dieser Aktion sind weithin bekannt. Ich halte diese Entscheidung für den groben politischen Fehler. Sie konnten die richtige Situation in der Republik nicht schätzen, die Psychologie des aserbaidschanischen Volkes einfach nicht begreifen. Es wurden keine ausreichenden Kontakte mit verschiedenen Volksschichten aufgenommen und so konnten sie die Folgen nicht voraussehen. Man sollte notwendige Maßnahmen voraussehen und treffen. Übrigens laufen die Meldungen ein, dass auch viele Militärs gefallen sind. Es wird gefragt, woran russischer junger Mann schuld ist, der durch den Fehlbeschluss der Spitzenparteiführung des Landes für die Unterwerfung sogenannter Revolte in Aserbaidschan geschickt wurde?

Nach Aserbaidschan wurde ein großes Truppenkontingent von außen eingeführt. Es ist mir gut bekannt, wie viele Truppen in Aserbaidschan sind. Dort sind auch ganz bedeutende Anzahl der Truppen: die 4. Armee, Kaspische Marinestreitkräfte, Landungskräftedivision, Luftverteidigungstruppen, Truppen des Innenministeriums. War es nötig, dorthin zusätzliche Truppen zu verlegen? Wenn es nötig gewesen wäre, könnte man die Truppen, die dort stationieren, benutzen. Die solch einem Entschluß fassende Führung von Aserbaidschan, vor allem Vesirov, der aus Aserbaidschan davongelaufen ist, soll dafür Verantwortung tragen. Diejenigen, die die politische Spitzenführung des Landes falsch berichteten, sollten auch Verantwortung tragen.

Ich meine, dass es die politische Spitzenführung des Staates darüber ausreichend, objektiv und rechtzeitig nicht informiert wurde. Die Staatsführung hat irregeführt, und infolgedessen wurde solche Entscheidung getroffen.

Alle an der Tragödie Geteiligten sollen bestraft werden.