Aus dem Gespräch des Präsidenten der Republik Aserbaidschan Heydar Aliyev beim Empfang der Delegation des Zentrums für Europäische Politikforschung - Präsidialpalast, den 17. Juli 2000

Heydar Aliyev: Liebe Freunde, verehrte Botschafter und verehrte Gäste, es freut mich sehr, Sie begrüßen zu dürfen. Ihren Besuch in Aserbaidschan schätze ich hoch. Es ist schon lange Zeit, dass Sie hierher nicht kommen. Ich freue mich, dass Sie dafür endlich Zeit gefunden haben.

Mein lieber Freund Süleyman Demirel hat mich schon darüber informiert. Er hat mir gesagt, dass es eine Initiative für ein Treffen gibt. Ich habe ihm meine Bereitschaft verraten. Ich höre jetzt Ihnen zu.

Özdem Sanberk (Ehemaliger Berater im Außenministerium der Türkei und Botschafter der Türkei zu London, Leiter der Türkischen Stiftung für Ökonomische und Soziale Studien): Herr Präsident, vor allem möchte ich Grüße und Respekt verehrten Herrn Süleyman Demirels Ihnen übermitteln.

Noch möchte ich erklären, dass unsere Delegation nicht aus dem offiziellen Team besteht. Herr Michel Emerson und ehemaliger rumänischer Außenminister Herr Sergiu Tschelak sind die Mitpräsidenten des Forschungszentrums, das in Brüssel unter dem Dach der Europäischen Union arbeitet. Aber dieses Zentrum ist der Europäischen Union nicht untergeordnet. Verehrter Nihat Gökyigit ist Geschäftsmann, Präsident des Vorstands der Firma "Tekfen Holding" und Mitglied des ständigen Rates der Schwarzmeer-Wirtschaftkooperation. Die von mir geleitete Stiftung ist auch unabhängig von unserer Regierung. Entscheidungen werden von Regierungen betroffen, wir helfen ihnen dabei mit unseren Gutachten.

Der Kaukasus ist eine wichtige Region für die Sicherheit der Türkei. Aserbaidschan ist ein Bruderland für die Türkei. Warum herrscht in Kaukasus die instabile Situation? Nur weil die Völkerrechtsnormen hier verletzt worden sind. Armenien hat gegen die Völkerrechtsnormen verstoßen und einen Teil des aserbaidschanischen Territoriums okkupiert sowie eine Million Aserbaidschaner aus ihrem Daheim vertrieben. Die Welt hat sowohl diese Tatsachen, als auch die Verletzung des Völkerrechts vergessen. Wer wird darüber reden, wenn nicht wir? Armeniens Okkupationstätigkeit gegen Aserbaidschan ist mit deren vom Irak gegen Kuwait identisch.

Wir fordern die Einhaltung der Völkerrechtsnormen ohne irgendwelche Ausweichungen. Jetzt sehen wir, dass die passende Zeit für die Wiederherstellung der Stabilität im Kaukasus kommt. Im Dezember 1999 wurde in Helsinki der Türkei die Möglichkeit zur vollberechtigten Mitgliedschaft zur Europäischen Union gewährt. Das war natürlich ein wichtiges Highlight, weil die vollberechtigte Mitgliedschaft der Türkei zur Europäischen Union wird heißen, dass der Kaukasus bzw. Aserbaidschan an der Europäischen Union angrenzen.

Verehrter Herr Demirel hat am 15. Januar 2000 die Initiative des "Stabilitätspakts im Kaukasus" ergriffen. Vorher hatte aber Aserbaidschans Präsident, sehr geehrter Herr Aliyev, im Istanbul-Gipfeltreffen der OSZE eine wichtige Rede gehalten. Danach haben sich die Funktionäre großer Länder, unter anderen Russlands, der Vereinigten Staaten und der Europäischen Union, auch zum Thema der Stabilität im Kaukasus geäußert.

Das Zentrum für Europäische Politikforschung, inspiriert von all diesen Erklärungen, hat Vorschläge entwickelt. Wir, die Türkei, nehmen einige dieser Vorschläge an, mit einigen sind wir aber nicht einverstanden. Aber man kann von diesen Vorschlägen für die Forschung profitieren. Ein besonders zu betonendes Merkmal dabei ist, dass diese Initiative die Minsk-Gruppe nicht ersetzen kann. Die Türkei kann keine Lösungsvariante akzeptieren, der Aserbaidschan nicht zustimmt.

Die Türkei ist mit aktueller Situation, also mit dem Status quo nicht zufrieden. Diese Situation darf so nicht weitergehen. Aber falls wir nichts tun, wird sie genau so bleiben. Herr Präsident, deswegen bitten wir Sie, unsere Auffassungen genau aus dieser Sicht auszuwerten. In diesem Rahmen verfügen sowohl Herr Demirel als auch das Zentrum für Europäische Politikforschung über einige Vorschläge. Sie können einander ergänzen. Aber wir würden uns wünschen, dass Sie uns für die Fortsetzung dieser Studien betreuen und ausrichten. Mit diesem Ziel sind wir hierher gekommen.

Sehr geehrter Herr Präsident, unser anderer Wunsch wäre, dass die in Aserbaidschan diesbezüglich arbeitenden NGO-s sowie die Mitarbeiter des Außenministeriums und Vertreter der Wissenschaft mit uns kontaktieren, dass sie in die Türkei und nach Brüssel kommen und dass wir zusammenarbeiten.

Jetzt wird sich verehrter Nihat Gökyigit äußern.

Nihat Gökyigit: Sehr geehrter Herr Präsident, ich bin Vertreter der Geschäftswelt, aber habe mich soz. über meine Grenze überschreitend in die politischen Angelegenheiten eigemischt. Mein Ziel ist, dass das Volk diese Sachen besser begreift. Falls das Volk diese Initiativen versteht und unterstützt, dann läuft die Tätigkeit der Politiker besser.

Die Geschäftswelt benötigt die Stabilität. Trotz aller Schwierigkeiten setzen die Geschäfte fort. Aber für ihre Ausdehnung ist die Stabilität Hauptbedingung. Das Geschäft und die Stabilität sind Komplemente.

Die Investierung des Energiekorridors im Südkaukasus wird weiterlaufen. Aber über den Energiebereich hinweg stehen auch andere Projekte, nämlich Flug - und Seehäfen, Straßen usw. Auf der Tagesordnung. Auch die Europäische Union schenkt große Aufmerksamkeit diesem Korridor. Deswegen habe ich meine Grenzen, wie gesagt, überschritten und bin auf diese Angelegenheiten gekommen. Die Geschäftswelt hat eigenartige Aufregung und Dynamik.

Gestern haben wir uns mit dem Präsidenten von Georgien Herrn Schewernadse getroffen, heute stehen wir in Baku Herrn Aliyev zur Verfügung. Als Geschäftsleute wollen wir auch zur Politikwelt beitragen.

Michel Emerson (Mitpräsident des Zentrums für Europäische Politikforschung): Herr Präsident, wir haben auch türkische Zusammenfassung unserer Dokumente, die wir Ihnen vorstellen. In meinem Buch gibt es zudem russische Information darüber. Die ersten sechs Artikel dieser Dokumente schlagen den Hauptinhalt unserer Vorschläge wider.

Wir haben die von Ihnen im OSZE-Gipfeltreffen im November letztes Jahres gehaltene Rede aufmerksam studiert. Gleichzeitig haben wir uns mit anderen Reden, unter anderen mit den des Präsident Demirel, Präsident Schewarnadse und Präsident Kotscharjan, vertraut gemacht. Danach ist von der OSZE ein richtiger Anstoß für unsere Tätigkeit gekommen. Die OSZE hat von uns verlangt, ein ausführlicheres Arbeitsregime zu entwickeln und ein Handlungsprogramm für die Umsetzung der in den genannten Reden erhobenen Ideen zu schaffen.

Wir berücksichtigen vor allem drei wichtigste Fragen, wenn wir die Schlussfolgerungen unserer Studien zusammenfassen. Diese drei Fragen sind unmittelbar mit dem Südkaukasus verbunden. Weitere drei Fragen erfordern aber die Einbeziehung der Staaten in der Umgebung des Südkaukasus in diese Tätigkeit. Die erstwichtigsten drei Fragen für den Südkaukasus sind folgende: Lösung der Konflikte, Zusammenarbeit zwischen den Regionsländern einschließlich ihrer Umwandlung in eine Integration und Entwicklung der Sicherheitsgaranten im Südkaukasus.

Wir müssen versuchen, die mögliche Hierarchie und den möglichen Zusammenhang zwischen diesen Fragen, von denen jede einzelne von großer Bedeutung ist, etwas aufzuklären. Wir gehen davon aus, dass die Überwindung der Konflikte, unter anderen des Bergkarabach-Konfliktes die Priorität dabei hat. Zusammengefasst, während der Enwicklung unsere Optionen, haben wir uns auf die Erwartungen gestützt, dass in naher Zukunft in der Lösung des zwischen Armenien und Aserbaidschan ausgebrochenen Bergkarabach-Konflikts mindestens Erfolg erzielt wird, wenn keine Lösung.

Wir haben unsere Meinung über das Regime für die Postkonfliktszeit bekannt gegeben und die durchzuführenden Tätigkeiten festgestellt.

In erster Etappe des von uns vorgelegten Programms nehmen wir die Erweiterung der Zusammenarbeit zwischen den südkaukasischen Ländern auf Staats- und Regierungsebene in Anspruch. In weiteren Etappen kommt die Feststellung der Integrationsformen der Region und ihre Zusammenarbeit mit den europäischen Strukturen vor. Selbstverständlich lassen wir dabei die Beitrittsfrage der Türkei zur Europäischen Union nicht außer Acht und wir berücksichtigen ihre Bedeutung.

Was die Sicherheitsgaranten für die Regionsländer betrifft, wollte ich sagen, dass wir schon darüber nachdenken. Am Anfang gibt es zwar keine Sicherheitsverpflichtungen der NATO. Aber wir überlegen, für die Regionsländer von der OSZE spezielle Sicherheitsgaranten zu bekommen und sie dokumentarisch zu formulieren.

Im zweiten Teil unseres Programms empfehlen wir, dass Zusammenarbeitsmechanismen zwischen dem Russland, Nordkaukasus und der Europäischen Union bereitgestellt werden.

In nächsten Etappen empfehlen wir die Gründung eines Kooperationsforums zwischen den Ländern der Schwarzmeers-, Kaukasus - und Kaspischen Regionen, die über die Schwarzmeer-Wirtschaftskooperation, derer Mitglied Aserbaidschan ist, hinweggeht.

Zuletzt haben wir Vorschläge für die schnellere und effektivere Ausbeutung von Öl- und Gasvorkommen der Region. Ich bleibe nicht bei diesem Thema, da Sie über hervorragende Erfahrung verfügen.

Herr Präsident, ich möchte verraten, dass unser Engagement für das Programm des Stabilitätspakts im Südkaukasus und die Verhandlungen mit der Leitung westlicher Staaten veranlasst zu sagen, dass diese Frage generell große Unterstützung auch auf der Ebene westlicher Staatschefs genießt. Dank Ihrer Führung ist die Umsetzung dieses Projekts möglich. Erforderliche technische Hilfe ist auch möglich. Aber wir müssen klären, worin nächste Schritte bestehen. Wir rechnen damit, dass bevor wir dies klären, sollen wir natürlich Vorschläge und konkrete Projekte der Staatschefs wie Sie kennenlernen und sie zusammenfassen. Also, wir sollen zusammen westliche Staaten überzeugen, dass die Umsetzung dieses Programms möglich ist und das der Region nutzen wird.

Herr Präsident, gestern hat Präsident Schewernadse beim Treffen mit uns Initiative ergriffen, dass er eine Arbeitsgruppe gründen wird, die sowohl aus den Regierungsorganen und staatlichen Strukturen als auch den Vertretern der nicht-staatlichen Strukturen und Experten besteht, damit diese Gruppe die von uns eingebrachten Vorschläge studiert und mit uns zusammenarbeitet. Er erhob auch die Frage, dass wir zusammen mit den europäischen Strukturen zusammenarbeiten und uns auf sehr komplizierte Fragen einigen könnten, falls Aserbaidschans und Armeniens Präsidenten auch solche Schritte machen und entsprechende Arbeitsgruppen gründen würden.

Sergiu Tschelak: Herr Präsident, ich habe fast nichts hinzuzufügen. Am 14. Juni haben ich und Michel Emerson dieses Projekt der OSZE und ihren Botschaftern in Wien vorgelegt.

Dieses Projekt wird auf Initiative der OSZE-Troika, also ihrer laufenden, vorigen und kommenden Präsidenten durchgeführt. Sie vertreten Norwegen, Österreich und Rumänien.

Infolge unserer Forschung hat der jetzige Präsident der OSZE den Strukturen der Organisation in der Region solch eine Aufgabe gegeben, dass sie mit den lokalen Regierungen zusätzliche Verhandlungen führen und ihre Stellungnahme zu diesem Vorschlag und ihre sonstigen Vorschläge studieren sowie sich mit der Weiterentwicklung des Projekts beschäftigen.

Ich glaube, als erster Schritt müssen wir im September des Folgejahres ein Seminar durchführen. Während dieses Seminars werden ich und Michel Emerson dieses Projekt präsentieren. Die OSZE wird dieses Seminar sowohl organisieren als auch finanzieren.

Wir verstehen, dass die OSZE eine schwache Organisation ist. Aber es gibt manchmal nützliche Komponenten in der Schwäche. Manchmal bringt die Schwäche den Menschen dazu, noch diplomatischer zu sein, also nicht die Gewalt sondern die Vernunft auszuüben. Wir haben uns diesem Projekt als selbständige Wissenschaftler angeschlossen. Auch den Rest der am Projekt des Stabilitätspaktes im Südkaukasus tätigen Leute bilden genauso selbständige Wissenschaftler wie wir.

Herr Präsident, wir haben auch große Unterstützung von Terry Adams bekommen, der Ihr Freund ist und diese Freundschaft immer mit stolzer Freude erwähnt.

Alle Anreize, die wir bekommen haben, lassen uns sagen, dass auch die Zeit für die Erledigung solcher Sachen reif wird. Für eine ernstere Tätigkeit braucht die Minsk-Gruppe einen Anstoß. Sowohl für die Umsetzung des Stabilitätspaktes als auch für Überwindung der Konflikte, die eine der ersten Bedingungen der Umsetzung dieses Stabilitätspaktes ist, werden zusätzlicher Anstoß und zusätzliche Unterstützung seitens der Legionsländer und ihrer Führer benötigt

Wir betrachten den Stabilitätspakt nicht als Ersatz der Konfliktlösung. Es geht einfach darum, welche Schritte für Zukunft der Region gemacht werden, nachdem Sie diese Konflikte überwunden haben. Man muss darüber denken und der Stabilitätspakt wird diesem Zweck dienen. Ich bin mit meinem Kollegen und Freund Botschafter Sanberk völlig einverstanden, dass wir uns in Bezug auf einige Fragen einigen werden, in Bezug auf andere auseinanderlaufen. Michel Emerson und ich vertreten nicht verschiedene Länder. Sogar nicht die Länder, derer Bürger wir sind. Wir haben uns einfach für den Zusammenschluss aller Versuche, die Entwicklung eines allgemeinen Dokumentes und Aufnahme zusätzlichen Gedankenaustausches bemüht. Endgültige Entscheidung werden selbstverständlich ausschließlich Sie treffen.

Heydar Aliyev: Es freut mich sehr, dass Sie alle sich mit der Frage beschäftigen, die für den Kaukasus, insbesondere für den Südkaukasus sehr wichtig ist. Seit zwölf Jahren ist die Stabilität im Südkaukasus verletzt. Es ist vor allem mit dem aufgrund des territorialen Anspruches Armeniens gegen Aserbaidschan ausgebrochenen Krieges, zudem mit dem Zustandekommen der Abchasien- und Ossetien-Konflikte verbunden. Außerdem geht es um die Lage im Nordkaukasus, nämlich um den Krieg in Tscheteschenien.

All diese haben die Stabilität im Kaukasus beeinträchtigt. Selbstverständlich wollen die Bewohner des Kaukasus und die Nachbarländer die Wiederherstellung der Stabilität in dieser Region. Denn es ist für alle Bereiche unseres Lebens von großer Bedeutung. Ihr Engagement mit dieser Sache als Engagement einer nicht-staatlichen Organisation oder eines wissenschaftlichen Forschungszentrums ist aus dieser Sicht sehr lobenswert.

In meiner Rede im Istanbul-Gipfeltreffen der OSZE im November des vorigen Jahres, wie Sie schon gewusst haben, habe ich vorgeschlagen, den Friedens-, Sicherheits - und Stabilitätspakt im Südkaukasus zu schaffen, und alle an der Bewältigung dieses Problems interessierten Länder zur Lösung dieses Problems aufgerufen.

Verehrter Präsident der Türkei Herr Süleyman Demirel hat damals mit einem noch großzügerem Vorschlag aufgetreten. Meines Wissens hat er vor einigen Monaten den Staatschefs vierzehn Länder der Welt, die zum Kaukasus Zugang haben, einen Brief mit seinen Gadanken über die Schaffung des Friedens, der Sicherheit und Stabilität im Kaukasus geschickt. Ich habe auch solch einen Brief bekommen. Diesbezüglich habe ich mit sehr geehrtem Herrn Süleyman Demirel einige mals telephoniert. Herr Süleyman Demirel hat mir gesagt, dass alle Staatschefs seine Briefe hoch geschätzt haben.

Also, es ist klar, dass alle Länder, d.h. die an der Region interessierten Länder, die Schaffung des Friedens, der Sicherheit und Stabilität im Kaukasus bzw. im Südkaukasus möchten und bereit sind, sich dafür mehr zu engagieren. Deswegen unterstütze ich Ihre Tätigkeit und Initiative in diesem Bereich.

Sie haben erklärt und ich möchte noch wiederholen, dass das einerseits nicht so ein einfaches Problem ist, aber andererseits tatsächlich einfach ist. Denn die Durchführung dieses Programs und all dieser Vorschläge hat eine Bedingung. Diese Bedingung ist die Bewältigung der Konflikte im Südkaukasus.

Wie Sie schon wissen, haben die Streitkräfte Armeniens infolge des Kriegs, der zwölf Jahre vorher ausgebrochen ist, 20 % des aserbaidschanischen Territoriums okkupiert. Von den okkupierten Gebieten sind mehr als eine Million Aserbaidschaner gewaltsam vertrieben und leben seit 7-8 Jahren in Zelten in schwierigen Wohnbedingungen.

Der Krieg ist ausgebrochen, der hat viel Blut verursacht. Aber wir haben im Mai 1994, also vor sechs Jahren, diesen Krieg gestoppt. Es wurde zwischen Armenien und Aserbaidshan ein Waffenstillstandsbkommen unterzeichnet. Seit mehr als sechs Jahren geht der Krieg nicht, keine Blut fließt. Der Ruhestand geht weiter. Aber der Konflikt ist noch nicht überwunden. D.h. die Situation während der Unterzeichnung des Waffenstillsandes am 12 Mai 1994 bleibt heute immer noch.

Ich wiederhole nochmals, dass territoriale Integrität Aserbaidshans verletzt wurde, 20 % unserer Gebiete unter der Okkupation der Armeniens Streitkräfte sind. Mehr als eine Million Aserbaidschaner, die in diesen okkupierten Gebieten gewohnt haben, sind Flüchtlinge und Vertriebene.

Wir versuchen schon seit mehr als sechs Jahren mit Vermittlung der Minsk-Gruppe der OSZE bzw. ihrer Mitpräsidenten, also Russlands, der Vereinigten Staaten und Frankreichs sowie anderer internationalen Organisationen, den Frieden zu erreichen. Für die Friedensschaffung ist es aber nötig, dass Armeniens Streitkräfte aserbaidschanische Gebiete verlassen, dass territoriale Integrität unseres Landes wiederhergestellt wird sowie dass unsere mehr als eine Million Bürger wieder heimkehren.

Aber wir können das nicht schaffen, weil Armenien eine destruktive Position bezieht. Armenien will für den Bergkarabach, was eigentlich Aserbaidschan zugehört, einen Unabhängigkeitsstatus erreichen, indem Armenien die Okkupation aserbaidschanischer Gebiete ausnutzt. In diesem Fall verliert Aserbaidschan einen Teil seines Territoriums, indem sein Bestandteil Bergkarabach die Unabgängigkeit erwerbt und sich auslöst. Armenien gibt bekannt, dass es in diesem Fall bereit sei, die okkupierten Gebieten um den Bergkarabach herum zu befreien. Wir können jedoch diesen Voraussetzungen keinesfalls zusagen. Es gibt doch die Völkerrechtsnormen und die Prinzipien der OSZE. Kein Land kann die Verletzung seiner territorialen Integrität bzw. seiner Grenzen dulden. So bleibt der Konflikt bisher ungelöst.

Auch in Georgien bleiben die Abchasien- und Ossetien-Konflikte ungelöst. Die Bewohner georgischer Nationalität sind von Abchasien zwangsläufig vertrieben. Aber dieser Konflikt in Georgien ist innerer Natur, weil der innerhalb des Landes passiert ist. Der Konflikt in Aserbaidschan ist aber ein Konflikt zwischen zwei unabhängigen Staaten. Dieser Konflikt ist ein Krieg zwischen Armenien und Aserbaidschan, welche Mitglieder der UNO, also unabhängige Staaten sind.

Also, um all diese Programme, die Vorschläge Herrn Süleyman Demirels, die im Istanbul-Gipfeltreffen der OSZE von mir eingebrachten Vorschläge sowie Ihre Wünsche umzusetzen, muss zuerst Armenien Aserbaidschans Gebiete befreien bzw. müssen unsere mehr als eine Million Bürger heimkehren. Danach kann dem Bergkarabach, wie wir schon gesagt haben und wie es sich im Lissabon-Gipfeltreffen der OSZE ausgewiesen hat, nur ein hoher Selbsregierungsstatus im Gefüge des aserbaidschanischen Staates gewährt werden.

Falls wir sie nicht schaffen, kann es um keine Stabilität im Südkaukasus gehen. Letztes Jahr hat es unmittelbar zwischen mir und dem Präsident Kotscharjan einige Treffen stattgefunden. Während dieser Treffen haben wir uns bemüht, etwas voran zu schreiten, um das Problem lösen zu können. Wir beide, sowohl Aserbaidschans als auch Armeniens Präsidenten, haben die Meinung geäußert, dass beide Parteien Kompromiße eingehen müssen. Ich habe meine Bereitschaft zu Kompromissen verraten. Aber leider wurden nach dem Terrorakt in Armenien am 27. Oktober diese Verhandlungen abgrebrochen.

Wie Sie schon wissen, wurden damals Armeniens Parlamentspräsident, Ministerpräsident und einige Abgeordneten von den Terroristen umgebracht.

Der jetzige Präsident der OSZE, Österreichs Außenminister, ist seit gestern in Armenien, am Abend kommt er nach Aserbaidschan. Das Ziel seines Besuchs ist, als OSZE-Präsident für die Lösung des Problems die Stellungnahmen Armeniens und Aserbaidschans kennenzulernen. Er hat mich während meines jüngsten offiziellen Besuchs in Österreich mit seinen Gedanken vertraut gemacht. Ich weiß nicht, welche Informationen er von hier mitnehmen wird. Auf jeden Fall sind wir bereit, Kompromisse einzugehen. Aber Armenien muss sich auch Kompromissen beugen und diese Kompromisse müssen einen Rahmen haben. Falls diese Frage keine Lösung findet, ist keines dieser Programme realistisch.

Im Südkaukasus ist eine Kooperation zwischen Aserbaidschan und Georgien in allen Bereichen bzw. in der Wirtschaft vorhanden. Zwischen Georgien und Armenien gibt es auch gute Zusammenarbeit in allen Bereichen. Aber eine Zusammenarbeit zwischen aller dreien Staaten des Südkaukasus ist heute ausgeschlossen. Ich kann der Meinung meines Freundes Nihat Gökyigit nicht zustimmen. Sie war allerdings keine neue Idee. Etliche Länder, unter anderen selbst Armenien, haben schon uns vorgeschlagen, unsere Wirtschaftsbeziehungen aufzubauen, zusammen handeln, damit ein gegenseitiges Vertrauen zustande kommt und wir uns dem Frieden näher bringen können.

Armenien hat uns solche Vorschläge vorgelegt. Andere Staaten haben auch gemacht. Ich sehe, dass Ihr Programm sie auch einschließt. Sehr geehrter Herr Gökyigit geht davon aus, dass diese Geschäfte gleichzeitig laufen müssen. Ich stimme aber nicht zu. Wir können damit nie einverstanden sein. Warum? Weil wir keine Zusammenarbeit mit Armenien betreiben können, solange 20 % aserbaidschanischer Gebiete unter Okkupation sind, solange mehr als eine Million Bürger in Zelten wohnen, solange kein Frieden zwischen Aserbaidschan und Armenien herrscht.

Es ist mir bewusst, dass die Wirtschafstlage Armeniens schwer ist, und dass Armenien dieser Zusammenarbeit bedarf. Wir sind nicht dagegen. Aber man muss zuerst den Frieden erreichen. Nach der Friedensstiftung wird diese Zusammenarbeit von selbst erscheinen. Welche Zusammenarbeit können zwei Konfliktparteien miteinender im Falle der Abwesenheit des Friedens gestalten? Sogar falls wir wollen, kann unsere Nation dies nicht ermöglichen. Das Sache ist, dass ich selbst dies nie befürworten kann.

Ihnen ist schon klar, dass die Grenzen zwischen der Türkei und Armenien zugeschlossen sind, dass keine diplomatische und Handelsbeziehungen existieren. Armenien versucht, eine Wirtschaftszusammenarbeit mit der Türkei zustande zu bringen. Mein Freund Herr Gökyigit hat auch diesbezügliche Initiativen ergriffen. Ich habe ihm schon damals widersprochen.

Aber die Politik der Republik der Türkei besteht darin, dass die Türkeit ihre Grenzen mit Armenien nicht aufmachen sowie mit Armenien nicht handeln und keinen Weg nach Armenien öffnen wird. Es sei denn, dass der Armenien-Aserbaidschanische Konflikt gelöst wird, Armeniens Streitkräfte Aserbaidschanische Gebiete verlassen sowie unsere mehr als eine Million Bürger heimkehren. Die Staats- und Regierungschefs der Türkeit haben es oftmals erklärt.

Der neunte Präsident der Türkei Herr Süleyman Demirel hat diese Position mehrmals bekannt gegeben. Der neue Präsident der Türkei Herr Ahmad Nejdat Sezer hat auch während seiner jüngstvergangenen offiziellen Reise nach Aserbaidshan diesbezügliche Erklärung erteilt. Einige in Grenzgebieten der Türkei, z.B. der Bürgermeister von Kars, stellen die Meinung, ohne diese Politik zu verstehen, "Machen Sie die Türen auf, damit wir handeln können". Aber mein Freund Süleyman Demirel hat während seines jüngstvergangenen Besuchs in Kars diesen Menschen gute Antwort gegeben: "Zugunsten des ein wenig Kleingelds oder eines engen Handels können wir die Position unserer aserbaidschanischen Gebrüder nicht opfern."

Sie müssen auch unsere Position offensichtlich kennen. Sobald der Armenien-Aserbaidschanische Konflikt gelöst wird, der Frieden wiederhergestellt wird sowie die okkupierten Gebiete Aserbaidschans befreit werden, wird die Schaffung eines Friedens-, Sicherheits- und Stabilitätspaktes ganz realistisch. Ansonsten ist diese Idee nur eine Phantasie.

Die USA haben etwa vor fünf-sechs Monaten einen Vorschlag eingebracht, dass ein Wirtschaftsforum im Südkaukasus geschaffen wird. Was heißt das? Also, Georgien, Aserbaidschan und Armenien schaffen ein ökonomisches Forum und kooperieren dort. Wir haben auch diesem Vorschlag widersprochen.

Die Mission, die Sie aufgenommen haben, ist auszeichnungswürdig. Aber Sie müssen wissen, welche Angelegenheit realistisch, welche nicht realistisch ist. Ich bin Ihnen sehr dankbar. Sie alle sind Vertreter nicht-staatlicher Organisationen, Wissenschaftler und erfahrene Spezialisten. Özdem Sanberk ist beispielweise, soweit ich weiß, ein erfahrener Politiker und Diplomat. Herr Emerson auch. Auch ehemaliger rumänischer Außenminister Sergiu Tschelak ist sehr erfahrener Mensch. Herr Nihad Gökyigit sagt, dass er Geschäftsmann sei und sich in die Politik nicht einmische. Aber er ist auch sehr erfahrener Mensch sowie mein guter Freund.

Wir benötigen Ihre Erfahrung und Ihr Engagement. Ich wiederhole, dass ich alle Initiativen von Ihnen unterstütze. Aber gleichzeitig äußere ich meine Stellungnahme. Ich bedanke mich bei Ihnen!

Nihat Gökyigit: Herr Präsident, ich möchte mich auch zu diesem Thema äußern. Wir haben mit Armenien keine Kontakte aufgebaut. Wir kooperieren nicht und werden auch nicht.

Heydar Aliyev: Es ist gut, dass Sie keine Kontakte aufgenommen haben.

Nihat Gökyigit: Wir studieren die Schwierigkeiten, von denen Aserbaidschan und Armenien betroffen sind. Wir haben den Armeninern mehrmals Aserbaidschan gewiesen, wie ausländische Geschäftsleute enge Kontakte in Aserbaidschan verknüpfen, wie sie dort hervorragende Geschäfte machen.

Heydar Aliyev: Das stimmt. Sehen Sie, wir haben die Baku-Supsa Pipeline schon in Gang gebracht.

Nihat Gökyigit: Ich sage nochmals, dass wir mit Aserbaidschan in allen Bereichen weiter kooperiren werden.

Heydar Aliyev: Ja, kooperieren Sie weiter.

Nihat Gökyigit: In Bezug auf die Aufnahme der Beziehungen mit Armenien besitzt die Türkei eine richtige Außenpolitik. Wir unterwerfen uns der Politik unseres Staates, wir tun alles, was er sagt.

Heydar Aliyev: Sehr gut. Seien Sie sich bitte der türkischen Außenpolitik weiter treu.

Nihat Gökyigit: Ja, wir sind dieser Politik treu. Wir gehen über diese Politik nicht hinweg. Das war alles, was ich sagen wollte. Wir werden unser Engagement in diesem Bereich fortsetzen.

Heydar Aliyev: Perfekt. Vielen Dank.

Die Zeitung "Aserbaidschan", Den 18. Juli 2000.