Aus dem Gespräch des Präsidenten der Republik Aserbaidschan Heydar Aliyev beim ‎Empfang des NATO-Generalsekretärs George Robertson und seiner Begleiter, den 26. Januar ‎‎2001‎

Heydar Aliyev: Sehr geehrter Generalsekretär,

sehr geehrte Gäste,

herzlich willkommen in Aserbaidschan! Ich grüße Sie herzlich! Aserbaidschan beteiligt sich seit 2004 an dem NATO-Programm "Partnerschaft für den Frieden". Ich erinnere mich an meine ersten Treffen im NATO-Hauptsitz in Brüssel und meine Unterzeichnung des Dokuments der "Partnerschaft für den Frieden". Es sind 6 Jahre verlaufen und ich denke, dass innerhalb dieser Zeit vieles für unsere Zusammenarbeit getan wurde. Natürlich schätzen wir das hoch. Ich glaube, dass wir in der Zukunft auch gut zusammenarbeiten müssen.

Sehr geehrter Generalsekretär, ich vermute, dass Sie auch mit diesem Zweck in unserem Land eingetroffen sind. Persönlich bin ich sehr zufrieden mit dem wiederholten Treffen mit Ihnen. Ich erinnere mich an unsere Treffen in Moskau und unser ausführliches Gespräch in London. Und jetzt sind Sie endlich nach dem Süden, nach Aserbaidschan gekommen.

Ich weiß, dass Sie vor kurzem in Georgien waren. Aber Sie haben zwei von drei Kaukasusländern - Aserbaidschan und Armenien nicht besucht. Dieses Mal waren Sie in Armenien und endlich sind Sie in Aserbaidschan eingetroffen. Ich bin sehr zufrieden. Bitte sehr!

George Robertson: Herr Präsident, es freut mich sehr die Möglichkeit, hierher zu kommen und mich mit Ihnen zu treffen. Wie ich Ihnen schon in meinem Brief geschrieben habe, bedauere ich mich sehr, dass ich im September nicht kommen konnte, wie geplant wurde. Damals hat in Jugoslawien eine Krise begonnen und aus diesem Grund musste ich meine Reisepläne verkürzen und nur nach Georgien reisen. Noch damals hatte ich deutlich erklärt, dass ohne Reise in alle Kaukasusländer meine Pflicht nicht vollendet sein kann. Deshalb freuen mich die Möglichkeit hier zu sein und über mein Treffen mit Ihnen zum dritten Mal sehr.

Sie haben gerade betont, dass seit Mitgliedschaft Aserbaidschans im Programm "Partnerschaft für den Frieden" 6 Jahre vergangen sind. Wir schätzen die wichtige Rolle Aserbaidschans an diesem Programm hoch. Es ist mir angenehm, den Außenminister und den Verteidigungsminister Aserbaidschans hier zu sehen, weil sie nach der Aufnahme meiner Mission, besonders in den Sitzungen eine bedeutende Rolle spielen. Selbstverständlich sind Sie zum Präsidenten dieses Landes früher geworden, als ich zum Generalsekretär der NATO. Aber es scheint mir so, dass wir gemeinsame Eigenschaften, einschließlich ein tiefes und richtiges Interesse für Programm "Partnerschaft für den Frieden", d.h. für Friedens-, Sicherheits- und Stabilitätsfragen in dieser wichtigen Region der Welt haben. Ich warte ungeduldig auf die Besichtigung der schönen Stadt Baku und die Möglichkeit zum ersten Mal das Kaspische Meer beim Sonnenaufgang sehen zu können.

Übrigens, ich bin 10 Meter weit entfernt vom Atlantischen Ozean geboren, deshalb freut mich besonders die Möglichkeit, einen von den wesentlichen Seen der Welt zu sehen.

Heydar Aliyev: Es gibt Ähnlichkeiten zwischen Aserbaidschan und Schottland.

George Robertson: Ich bin überzeugt, dass es viele Ähnlichkeiten gibt und wir werden sie innerhalb eines Tages hier herausfinden.

Heydar Aliyev: Herr Generalsekretär, ich bedanke mich. Ich betone nochmal, dass ich mit Ihrer Ankunft in Aserbaidschan sehr zufrieden bin. Aber Sie haben dafür sehr wenig Zeit eingeplant. Natürlich gibt es genug Zeit für das Gespräch mit mir und auch für andere Treffen. Aber Bekanntschaft mit Baku, Beschäftigung des Kaspischen Meeres verlangen noch mehr Zeit. Ich hoffe, dass unsere beauftragten Personen versuchen werden, Ihnen in kurzer Zeit vieles zu zeigen. Aber für uns ist das wichtigste Ziel seit unserem Beitritt zum Programm "Partnerschaft für den Frieden" im Jahre 1994 die Wiederherstellung des Friedens in der ganzen Welt, ebenso im Kaukasus. Selbst der Name des Programms beweist das - "Partnerschaft für den Frieden|". Aber Sie wissen, dass es zurzeit keinen Frieden im Kaukasus, im Südkaukasus gibt. Es ist richtig, dass es keinen Krieg gibt, doch den Frieden gibt es auch nicht.

Sie sind aus Armenien hierher eingetroffen und ich vermute, dass dort auch Gespräche durchgeführt wurden. Aber es tut mir leid, dass wir wegen der nicht konstruktiven Position Armeniens den armenisch-aserbaidschanischen Konflikt bis jetzt nicht regeln können.

NATO ist vor allem eine militärische Organisation. Und deshalb weiß sie besser, welche Seite an diesem Konflikt schuld und wer der Schuldige des Konfliktergebnisses ist. Wenn man an den Konflikt gerecht herangehen wird, muss man sagen, dass der Urheber dieses Konfliktes Armenien ist. Noch 1988 hat Armenien das unteilbare Gebiet von Aserbaidschan Berg-Karabach beanspruchend den Konflikt begonnen. Danach wurde dieser Konflikt durch den Krieg ersetzt. Der Krieg, der einige Jahre gedauert hat, wurde nicht von beiden Seiten als Krieg geführt. Doch es war ein Krieg, und aus verschiedenen Gründen - nicht aus dem Grund, dass Aserbaidschan schwächer als Armenien war, - haben die armenischen Streitkräfte 20% der aserbaidschanischen Territorien besetzt. Aus den besetzten Territorien sind mehr als 1 Mln. Aserbaidschaner zwanghaft vertrieben worden. Seit 7-8 Jahren leben sie unter schweren Bedingungen und die meisten von ihnen in Zelten.

Diese Ungerechtigkeit ist vor Augen der ganzen Welt. Ebenfalls der NATO. Ich unterstreiche nochmals, das Ziel der NATO, wie wir es verstehen, ist die Herstellung des Friedens wenigstens in Europa, obwohl die Meisten denken, dass NATO irgendwelcheVorherrschaft habe. Die Vorherrschaft sage nicht ich, das sagen die Meisten. Im Gegenteil, wir halten NATO für eine friedensgewährleistende Organisation. Sie haben sich in Jugoslawien gezeigt, Sie haben gegen die Ungerechtigkeit widerstanden. Aber die Ungerechtigkeit existiert hier noch. Ich nehme an, dass wir mit Ihnen darüber noch reden werden.

Kurz gesagt, der Frieden im Südkaukasus hängt von vielen Fragen ab. Als erstes überhaupt muss man die Konflikte in Südkaukasusländern zu Ende bringen. Unter diesen Konflikten nimmt armenisch-aserbaidschanischer Konflikt eine besondere Stelle. Das ist kein Konflikt zwischen irgendwelchen etnischen Gruppen oder Minderheiten, sondern es ist ein Konflikt zwischen zwei unabhängigen Ländern. Es ist ein Konflikt der Länder, die die Mitglieder der UNO, der OSZE sind und am Programm "Partnerschaft für den Frieden" zusammen tätig sind. Deshalb nehmen wir an, dass alle diese internationalen Organisationen, besonders NATO diese Frage beachten müssen. Solch eine Situation kann und darf nicht ewig dauern.

Und deshalb wiederhole ich, wir können einige Fragen besprechen. Aber das ist die wichtigste Frage für uns. Deswegen äußere ich meine Gedanken darüber.

George Robertson: Herr Präsident, ich danke Ihnen. Ich möchte einen Moment interpretieren. Da wir uns hier vor den Menschen treffen, würde ich gerne Ihnen, Ihrer Regierung und Ihrem Volk für Ihre Friedenskräfte, die bei der Stabilisierung der Lage in Kosova teilnehmen, danken. Das ist vielleicht die größte Operation der Welt für die Herstellung des Friedens. Natürlich gehören zu diesen Truppen nicht nur Militärs der NATO-Mitgliedsländer, sondern auch Militäre Russlands, der Länder, die keine NATO-Mitglieder sind, und auch Aserbaidschans. Für diese Hilfe sind wir Ihnen sehr dankbar.

Über den Berg-Karabach-Konflikt möchte ich nur sagen, dass NATO sich mit dieser Frage nicht beschäftigt und die Schuldfrage jeder Seite an diesem Konflikt zu bestimmen ist nicht die Aufgabe der NATO. Sie wissen schon vielleicht, vor meinem Besuch nach Aserbaidschan hatte ich ein wichtiges Treffen mit dem Präsidenten von Armenien Robert Kotscharjan. Was ich Ihnen sagen will, habe ich auch ihm gesagt.

Hier existiert ein sehr wichtiges und schwieriges Problem, das nicht nur den Südkaukasus, sondern die ganze Region beeinflußt. Wir sollen dieses Problem auf jede Weise lösen. Wenn der Konflikt von den Konflikseiten nicht geregelt werden kann, dann können wir uns nicht von den diesen Konflikt begleitenden ökonomischen, militärischen und sozialen Problemen befreien. Alles hängt von den Konfliktteilnehmern ab und ich hoffe, dass Sie bald gegenseitiges Einverständnis erlangen werden.

Ich glaube, dass jeder von den Präsidenten Aserbaidschans und Armeniens für die Bestimmung der Problemslösung und der richtigen Position eine große Erfahrung und politischen Mut hat. Und sie sehen dieses Problem im großen Spektrum. Dadurch wird die Regelung des Problems nicht nur für den Kaukasus, sondern für ganz Europa ein Vorbild sein.

Bei der Suche solch einer Lösung können auch die anderen Organisationen wie OSZE, Minsk-Gruppe helfen. Die Reise des russischen Präsident Vladimir Putin nach Aserbaidschan freut mich sehr. Ich schätze sein Hilfeangebot sehr hoch. Aber ich möchte Ihnen mitteilen, obwohl NATO nach einem Weg für die Regelung dieses Problems nicht sucht, wird sie bei der Suche solch einer Lösung die internationalen Versuche auf alle Weise unterstützen. Und wir werden danach für die Realisierung dieser Lösung Monitoring durchführen. Wir werden diese Frage mit Ihnen nochmals besprechen, aber ich möchte sagen, dass ich die Bedeutung dieser Frage nicht nur für Aserbaidschan und Armenien, sondern für die ganze Region - für Europa genügend einschätze.

(Der Präsident von Aserbaidschan Heydar Aliyev hat sich bei dem NATO-Generalsekretär bedankt und in englischer Sprache herausgegebenes Buch "Für den Frieden und die Zusammenarbeit", in dem es von der Zusammenarbeit zwischen Aserbaidschan und NATO handelt, dem Herrn Robertson geschenkt.)

George Robertson: Herr Präsident, ich werde es als wertvolles Geschenk berücksichtigen. Aber das nächste Buch muss unsere folgenden Beziehungen betreffen. Das Photo von mir - des neuen Generalsekretärs haben Sie auch dorthin eingetragen. Danke sehr! Es ist ein sehr gutes Geschänk. Ich danke Ihnen!

Übersetzt aus der Zeitung "Aserbaidschan", den 17. Januar 2001.