Aus dem Gespräch zwischen dem aserbaidschanischen Präsident Heydar Aliyev und dem Ko-Vorsitzenden der OSZE-Minsker Gruppe, Sonderbeauftragten Frankreichs Jean-Jacques Gaillardebeim Empfang der von ihm geleiteten französischen Delegation - Den 9. November 1999


Heydar Aliyev:  Herzlich, willkommen, Herr Gaillarde. Ich bin froh, dass Frankreich als der Ko - Vorsitzende in der OSZE - Minsker Gruppe seine Aktivitäten intensiviert. Ich gratuliere Ihnen zum Dienstantritt als Sonderbeauftragter von Frankreich. Ich hoffe, dass Sie in ihrem Amt verbleiben, bis dieses Problem gelöst wird.

Leider ist es oft der Fall, dass die Vereinigten Staaten, Frankreich und Russland - die Ko - Vorsitzenden der Minsker Gruppe ihre Sondergesandten bzw. Vertreter auswechseln. Wir verstehen das, jeder Staat betrachtet es als seine innere Angelegenheit und die Beamten werden befördert. Aber diese Ablösung der Sondergesandten wirkt sich auf unsere Arbeit negativ aus. Ich hoffe, Sie werden nicht aus dem Amt scheiden. Bitte, ich höre Ihnen zu.

Jean-Jacques Gaillard: Herr Präsident, gestatten Sie mir Ihnen meinen herzlichen Dank für Ihre Gastfreundschaft auszusprechen. Ich bin froh heute mit Ihnen in Baku, in Aserbaidschan zu sein. Das Ziel meines Besuches ist es, die Situation zu erkunden, sich mit einigen Personen zu treffen und Einsichten in den Sachverhalt zu gewinnen. Herr Präsident, während der Zeit meines Aufenthalts habe ich mich zusammen mit dem für Flüchtlingsfragen zuständigen stellvertretenden Minister mit Flüchtlingen getroffen. Allgemein gesehen, sehe ich es als der wichtigste Bestandteil unserer Arbeit, deshalb habe ich dieser Problematik Priorität eingeräumt.

Herr Präsident, Ihnen gilt auch der freundschaftiche Gruß meines Landes. Ich meine damit, dass Herr Präsident Jacques Chirac und die französische Regierung dieser Frage große Bedeutung beimessen und sich besonders für dieses Problem interessieren.

Ich bin mit der Absicht hierher gekommen, um alles, was in meiner Kraft steht, für die Konfliktslösung zu tun. Ich verspreche, ich werde dafür all meine Mühe geben.

Herr Präsident, Sie wünschen, dass ich dieses Amt lange ausübe. Gewiss bleibe ich in meinem Dienst. Andererseits wünsche ich mir am wenigsten das Weiterbestehen dieses Amtes. Eines will ich nun sagen. Ihre Aussagen können berechtigt sein, aber sie treffen nicht für Frankreich zu. Denn die Person vor meinem Eintreten in das Amt führte dieses Amt drei Jahre lang.

Heydar Aliyev: Ich bin froh, dass mein Freund, Herr Jacques Chirac und die Regierung Frankreichs Aserbaidschan und speziell die Lösung des armenisch - aserbaidschanischen Konflikts hoch bewerten und diesem Problem eine ernsthafte Beachtung schenken. Mit dem Hinweis auf längeres Verbleiben in Ihrem Job, meinte ich, dass sie bis zum Ende des Konfliktes durchhalten. Aber wir selbst wollen, dass dieser Konflikt möglichst bald endet und die Minsker Gruppe auch ihre Aktvititäten abschließt.

Obwohl die Minsker Gruppe seit 1992 existiert, ergab sich im Verlauf von sieben Jahren keine Beilegung des Konflikts. Die Verhandlungen gehen weiter, die Minsker Gruppe arbeitet und die Verhandlungen werden geführt. Bisher gab es zwei Gipfeltreffen der OSZE, eines im Dezember 1994 in Budapest und eines im Dezember 1996 in Lissabbon. Auf beiden Gipfeltreffen wurden sehr bedeutende Entscheidungen getroffen, aber leider mangelt es bis jetzt an der Implementierung dieser Entscheidungen.

In den Monaten von September und Oktober, während des Besuchs in Aserbaidschan des russischen Außeninisters Herrn Ivanov und des US - Sonderbeauftragten für den Bergkarabachkonflikt, Herrn Botschafter Carey Cavanaugh, der neu in dieses Amt berufen wurde, äußerte ich das Bedauern meines Staates wegen der mangelnden Tätigkeit der Minsker Gruppe und insbesondere der Sondebeuaftragten. Ich möchte dieses Bedauern vor Ihnen wiederholen.

Nach dem Gipfeltreffen in Lissabon 1996 wurden drei Staaten: die Vereinigten Staaten, Frankreich und Russland zu Ko - Vorsitzenden der Minsker Gruppe ausgewählt. Dies erweckte in uns und bei unserem Volk viele Hoffnungen, weil sich damals mit diesen Fragen nur Russland befasste. Der Antritt zur Ko - Vorsitzendenrolle der USA und Frankreichs basierte auf der Initiative Aserbaidschans. Unsere Annahme war es, dass Russland, Frankreich und die Vereinigten Staaten, die als die einflussreichsten Länder der Welt gelten, alle drei zusammen für die zügige Konfliktregelung sorgen würden. Nun muss ich aber zugeben, dass es nicht geschah. Drei Jahre sind vergangen. In einer Woche, am 18. November findet in Instanbul das nächste Gipfeltreffen der OSZE statt. Wir fliegen zu diesem Gipfeltreffen ohne irgendeinen Fortschritt im Konfliklösungsprozess.

Es ist Ihnen nicht unbekannt, dass 1997 nach dem Gipfeltreffen der Ko - Vorsitzenden der Minsker Gruppe zwei friedliche Lösungsvorschläge eingebracht wurden. Aserbaidschan unterstützte sowohl den ersten, als auch den zweiten Vorschlag, die jedoch Armenien ablehnte. Während des gesamten Jahres 1998 blieb die Arbeit der Minsker Gruppe ergebnislos. Erst im November 1998 wurde ein neuer Vorschlag unterbreitet, nämlich, dass der Konflikt auf der Basis des Prinzips von "Gemeinsamen Staat" zu lösen ist. Dies wurde von uns nicht akzeptiert. Diesmal begrüßte aber Armenien diese Option. Wir konnten dem vorgelegten Plan der OSZE nicht zustimmen, da laut diesem Vorschlag ein zweiter armenischer Staat auf aserbaidschanischem Territorium entstehen würde. Die positive Einstellung Armeniens zu diesem Plan ist klar, denn es überlappt sich vollkommen mit ihren Interessen. Die Vermittlung der Minsker Gruppe soll darin bestehen, die Interessen beider Parteien zu berücksichtigen.

Wir fragten bei der Minsker Gruppe um neue Vorschläge an. Ein Jahr ist bereits vergangen, seitdem gibt es keinen neuen Vorschlag. Darum bringen wir mit Recht unsere Unzufriedenheit zum Ausdruck. Sie wissen wohl, dass nur Aserbaidschan an diesem Konflikt leidet. Zwanzig Prozent des Territoriums von Aserbaidschan wurden infolge des Konfliktes okkupiert und Armenien hält es noch immer in seiner Gewalt. Über eine Million aserbaidschanischer Staatsangehörige wurden aus den okkupierten Territorien vertrieben. Seit 6 - 7 Jahren leben sie in schlechten Wohnverhältnissen, in Zelten.

Ich bin Ihnen sehr dankbar, dass sie die Flüchtlinge besucht und ihre soziale Lage kennengelernt haben. Sie haben gesehen, dass ein Mensch 6 - 7 Jahre lang nicht in einem solchen Zustand leben kann. Im Vergleich zu ihnen ist die Lage der in Baku wohnhaften Flüchtlinge verhältnismäßig gut. Jene in den Zeltlagern müssen mehr Schwierigkeiten ertragen.

Seit gestern regnet es in Baku. In anderen Gebieten Aserbaidschans wird es auch regnen und dann schneien. Mit dem Regen treten viele Probleme für die Menschen zu Hause und auf den Straßen auf. Stellen Sie sich vor, wieviel unermessliches Leid dadurch den Bewohnern der Zelten zugefügt wird. Die Zelt schützt sie nicht gegen dem Regen. Sie sind nicht auf asphaltierten Straßen unterwegs, sondern sie müssen durch den Schlamm stampfen. Jedenfalls ist es nicht meine Absicht, alles detailliert zu beschreiben, was dort vor sich geht. Ich nehme an, Sie können sich die Lage vorstellen.

Ich kann mich erinnern, dass die ausländischen Gäste, die seit sechs Jahren sowohl in Baku, als auch in den Zelten, die Flüchtlinge besuchten, über die schwierigen Umstände dort entsetzt waren und sie bemitleideten. Aber die Weltgemeinschaft, und nicht zuletzt die Ko - Vorsitzenden der Minsker Gruppe, sehen gleichgültig zu. Darum sage ich, dass die schwere Last dieses Konfliktes auf Schultern Aserbaidschans liegt. Es ist natürlich, dass Aserbaidschan an der schnellen Beendigung dieses Konfliktes vielmehr interessiert ist, dass die eroberten Gebiete befreit werden und die Flüchtlinge in den Zeltlagern in ihre Heimat zurückkehren. Nehmen Sie zur Kenntniss, dass in den okkupierten Territorien alles zerstört ist. Das heißt, sie werden noch einige Jahre dort mit weiteren Problemen konfrontiert sein.

Das alles lässt uns mit der Inaktivität der Minsker Gruppe unzufrieden sein. Ich erwarte, dass auf dem Gipfeltreffen der OSZE ein Schritt vorwärts getan wird. Ich habe mich darüber mit Herrn Jacques Chirac bereits unterhalten. Neulich führten wir auch ein Telefongespräch. Ich habe das Gefühl, dass sich Präsident Chirac vom ganzen Herzen darum bemüht ist. Seine Position in dieser Frage ist sehr bedeutend für uns. Aber wir erwarten ein reales Ergebnis. Dies seinerseits hängt viel von der Arbeit der Ko - Vorsitzenden der Minsker Gruppe und ihrer Sonderbeauftragen ab. Darum denke ich, dass mit Ihrem Amtsantritt die Minsker Gruppe ihre Arbeit wesentlich verbessert.

Jean-Jacques Gaillard: Herr Präsident, ich muss bemerken, dass die Arbeit der Minsker Gruppe nicht unbedingt als passiv zu bezeichnen ist. Sie machte bisher zwei Vorschläge. Ich möchte sagen, dass alle Vorschläge auf der Tagesordnung bleiben. Es gibt aber eine andere Seite der Medaille. Parallel begannen die direkten Verhandlungen zwischen Ihnen und dem armenischen Präsidenten. Dahinter steckte die Idee, dass Ihre direkten Kontakte zum Anlass für die Erneuerung der Tätigkeit der Minsker Gruppe genommen werden kann. Das heißt, es kann helfen, die bereits vereinbarten Prinzipien zur Grundlage der Arbeit der Minsker Gruppe zu nehmen.

Wir haben beschlossen, solche Vereinbarungen zu unterstützen, die auf die fundamentalen Interessen beider Staatspräsidenten Bezug nimmt. Gleichzeitig will ich bemerken, dass die Minsker Gruppe und deren Ko - Vorsitzende bereit sind, erneut die Tätigkeit aufzunehmen, um die Verbindung zwischen der Parteien herzustellen, sich nach ihren Positionen zu erkundigen und jedwede Hilfe zur Lösung des Konfliktes bereitzustellen.

Wir verstehen auch, dass alle an einer dringenden Lösung des Konfliktes interessiert sind. Denn dieser Konflikt wartet aus menschlicher und auch politischer Sicht auf eine unverzügliche Lösung. Herr Präsident, gestatten Sie mir bitte, Ihnen eine Frage zu stellen. Für mich ist es sehr interessant, wie Sie die logische Fortsetzung des neu begonnenen Dialogs mit dem armenischen Präsidenten sehen?

Heydar Aliyev: Ja, Sie haben Recht, von April dieses Jahres, trafen sich die beiden aserbaidschanische und armenische Präsidenten zu direkten Gesprächen zusammen. Diese Treffen sind nützlich. Ich denke, sie können bei der schnellen Lösung des Konflikts behilflich sein. Der armenische und der aserbaidschanische Präsident bekannten sich zur Notwendigkeit von Kompromissen. Als Resultate dieser Verhandlungen kann ich das Einverständnis beider Parteien zu gegenseitiger Kompromissbereitschaft, ohne die der Konflikt unmöglich, zu lösen ist, hervorheben. Ich bestätige diese Ansicht auch jetzt.

Aber andererseits denke ich, dass unsere direkten Gespräche keineswegs zur Unterbrechung der Aktivitäten der Minsker Gruppe führen sollten. Denn im Grunde wird dieser Konflikt im Rahmen der Minsker Gruppe, zusammmen mit den Ko - Vorsitzenden der Minsk - Gruppe: den Vereinigten Staaten, Frankreich, Russland gelöst. Mit anderen Worten meine ich, dass diese Gespräche nicht zum Hindernis für die Minsker Gruppe werden sollen. Sofern in den direkten Verhandlungen der beiden Präsidenten keine Übereinstimmung erzielt wird, könnten die Verhandlungen durch die Vermittlung der Minsker Gruppe neu stimuliert werden. In diesem Sinne denke ich, die Dinge sollten parallel ablaufen. Auch heute bin ich dieser Auffassung.

Jean-Jacques Gaillard: Herr Präsident, wie erscheint Ihnen die praktische Verbindung zwischen diesen parallel ablaufenden Aktionen?

Heydar Aliyev: Es ist mir sehr klar. Die Minsker Gruppe sollte ihre Aktivitäten nicht einstellen und uns um die Informationen ersuchen und aktiv an diesen Prozessen teilnehmen.

Jean-Jacques Gaillard: Herr Präsident, ich vermute, Sie laden, die drei Sonderbeauftragten der Minsker Gruppe zum einen baldigen Treffen mit Ihnen ein.

Heydar Aliyev: Ja, es stimmt.

Jean-Jacques Gaillard: Vielen Dank!

Heydar Aliyev: Danke sehr!

Übersetzt aus der Zeitung "Aserbaidschan", den 10. November 1999.