Aus dem Gespräch zwischen dem Präsidenten der Republik Aserbaidschan Heydar Aliyev und der Delegation aus der Volksrepublik China unter der Leitung des Vorsitzenden des Ständigen Ausschusses des Volks-Kongresses Li Pen - Präsidialpalast, 23. Juni 2000


 
Heydar Aliyev: Sehr geehrter Herr Vorsitzende, verehrte Gäste aus der Volksrepublik China, liebe Gäste,

Gestern ist der Vorsitzende des Ständigen Ausschusses des Volks-Kongresses der Volksrepublik China Herr Li Pen zu einem offiziellen Besuch in Aserbaidschan eingetroffen. Dieser Besuch wird auf meiner Einladung unternommen und ich freue mich, dass Herr Li Pen endlich eine Gelegenheit gefunden hat, meine Einladung vom Jahre 1994 in Erfüllung zu setzen, dass er schon in Aserbaidschan ist und wir uns unterhalten können. Herr Li Pen, ich begrüße Sie und die Mitglieder Ihrer Delegation ganz herzlich und freue mich über Ihren Besuch.

Mir ist bewusst, dass Sie gestern in unserem Parlament einige Treffen gehabt sowie unsere Stadt kennengelernt haben. Eben hat unser interessantes Gespräch in einem engen Team stattgefunden. Das Gespräch war am meisten über chinesisch-aserbaidschanische Beziehungen. Außerdem haben wir die Fragen der Geschichte und gegenwärtigen internationalen Situation berührt.

China ist ein großer Staat der Welt. Das besitzt reiche historische Kultur und Geschichte, verfügt in Gegenwart als riesiger Staat über enormes geistiges und ökonomisches Potenzial und spielt bedeutende Rolle im internationalen Leben. Die Gründung der Volksrepublik China hatte große historische Bedeutung im Weltmaßstab. Die Volksrepublik China existiert und entwickelt sich schon 50 Jahre und erzielt ein große Erfolge.

Aserbaidschan ist junger unabhängiger Staat. Wir haben unsere staatliche Unabhängigkeit 1991 nach dem Zusammenbruch der Sowjetunion erlangt und halten diese Tatsache für eine historische Errungenschaft unseres Volkes. Wir betrachten den Zerfall der Sowjetunion und die damit erworbene Unabhängigkeit vieler Völker, u.a. des aserbaidschanischen Volkes, als ein historisches Geschehen. Wir erleben jetzt die Phase der Staatsbildung und folgen unserem Weg - den Weg der Demokratie, Wirtschaftsreformen und Festigung unserer Staatlichkeit. Nun sind wir sicher, dass Aserbaidschan ewig unabhängig wird. Wir werden unsere Staatsunabhängigkeit immer bewahren und ihren Verlust nie wieder ermöglichen.

Als unabhängiger Staat versuchen wir, unsere Kontakte zu allen Ländern der Welt mit den Rahmenbedingungen der Friedlichkeit, gegenseitigen Nutzen, Zusammenarbeit und Freundschaft zu verknüpfen. In dieser Politik messen wir den Beziehungen mit der Volksrepublik China besonders große Bedeutung bei. Wir freuen uns, dass China zu den Staaten gehört, die Aserbaidschans Unabhängigkeit sofort anerkannt haben. Sofort danach sind zwischen unseren Staaten diplomatische Beziehungen aufgenommen worden. Heute existiert in Aserbaidschan Chinesische, in China Aserbaidschanische Botschaft. Heute werden wir zusammen den Grundstein zum neuen, nämlich ersten Gebäude der Chinesischen Botschaft legen.

In den letzten Jahren entwickeln sich unsere Beziehungen auf steigender Linie. Ich bin 1994 auf Einladung des Vorsitzenden der Volksrepublik China Herrn Tsian Tsemins zu einem offiziellen Besuch in China gewesen. Wir haben damals sowohl mit Herrn Tsian Tsemin als auch mit unserem verehrten Gast, dem damaligen Ministerpräsidenten Herrn Li Pen effiziente Treffen und Gespräche gehabt. Diese Treffen und Gespräche haben bei mir schöne Eindrücke gelassen. Der Besuch in China selbst sowie die Bekanntschaft mit dem gegenwärtigen Leben, der Hochgeschwindigkeit der Wirtschaftsentwicklung, der nationalen Selbstbestimmung, den der nationalen Spezifik entsprechend durchgeführten Reformen in China haben mich tief beeindruckt. Wir haben Schanghei besucht. Die Hauptsache war aber, dass wir die Chinesische Mauer besucht haben, und ich ihre höchste Spitze bestiegen habe. Man sagt, dass es nicht jedem gelingt, ihren höchsten Punkt zu erreichen. Einige meiner Begleiter sind im halbem Weg geblieben. Ich habe aber vor mir ein Ziel gesetzt und habe das erreicht.

Seither, seit 1994 sind unsere Beziehungen intensiver geworden. Heute besitzen wir die Position einer allseitigen Zusammenarbeit, insbesondere eine wirtschaftliche Zusammenarbeit. Gleichzeitig unterstützen wir einander in den prinzipiellen Fragen des Völkerrechts. Eines dieser Prinzipien ist territoriale Integrität jedes Staates einschl. der Unversehrtheit seiner Grenzen. Gerade bezüglich dieses wichtigen Prinzips sind sowohl China als auch Aserbaidschan von seriösen Problemen betroffen. In China geht es um Taiwan-Problem. Aserbaidschan leidet seit 1988, Herr Pen, wie ich schon Ihnen ausführlich erzählt habe, unter Aggression Armeniens. Diese Aggression hat angefangen mit dem Ziel, den Bestandteil unseres Gebiets Bergkarabach zu annektieren. Diese Aggression hat zu einem Krieg geführt, infolgedessen ist die territoriale Integrität unseres Landes verletzt worden. 20 Prozent des aserbaidschanischen Gebiets bleiben unter Okkupation der Streitkräfte Armeniens und ein Million Aserbaidschaner, die heute in ganzem aserbaidschanischem Gebiet angesiedelt sind und deren Großteil in Zelten in sehr schwierigen Wohnverhältnissen leben, sind aus ihren Wohnorten vertrieben.

Wir unterstützen die territoriale Integrität der Volksrepublik China in allen internationalen Organisationen und Dokumenten, erkennen die vollständige Angehörigkeit Taiwans zu der Volksrepublik China und das legitime Recht der Volksrepublik China auf ihr Landstück an. Ich bin sehr dankbar, dass die Volksrepublik China auch das legitime Recht Aserbaidschans zu ihrer territorialen Integrität und der Unversehrtheit seiner Grenzen befürwortet, nämlich dass China Aserbaidschan bei dem Konflikt zwischen Armenien und Aserbaidschan unterstützt. Wir danken Ihnen, dass Sie immer dieses Prinzip unterstützen und uns für den Neuaufbau unserer territorialen Integrität, die Befreiung unseres okkupierten Territoriums von den Streitkräften Armeniens, die Heimkehr der Flüchtlinge und die Erreichung der Unversehrtheit der von den Vereinten Nationen festgestellten Grenzen des unabhängigen Aserbaidschans helfen.

Ich begrüße Sie nochmals und erteile Ihnen das Wort.

Li Pen: Herr Präsident, ich bedanke mich für die Einladung zu einem Besuch in Aserbaidschan, sowohl für Ihre persönliche Einladung als auch für die Einladung des Parlaments der Republik Aserbaidschan. Ich und meine Kollegen sind sehr zufrieden, dass es uns gelungen ist, hierer zu kommen und das neue Aserbaidschan zu sehen.

Sofort nach dem Zerfall der Sowjetunion hat China die Unabhängigkeit Aserbaidschans anerkannt und diplomatische Beziehungen mit ihm aufgenommen. Seitdem entwickeln sich die Wechselbeziehungen sehr erfolgreich. 1994 ist Herr Aliyev zu einem offiziellen Besuch in China eingetroffen und hat mit dem Vorsitzenden der VRC Tsian Tsemin eine Reihe von bedeutender Unterlagen unterzeichnet. Seither entwickelt sich unsere Zusammenarbeit noch intensiver.

In den erst abgeschlossen Verhandlungen, die in engem Kreis durchgeführt worden sind, haben wir Gedankenaustausch über mehrere Fragen gemacht und jetzt möchte ich bei folgenden drei Punkten bleiben. Zunächst, ist China bereit, mit Aserbaidschan in allen Bereichen, politischem, ökonomischem, kulturellem usw., weiter zusammenzuarbeiten. Unseres Erachtens besitzt Aserbaidschan nicht nur eine wichtige geographische Lage, sondern auch reiche Öl- und Gasvorkommen. Deswegen stehen vor der aserbaidschanischen Wirtschaft enorme Perspektiven.

Zweitens, bemüht sich China in der internationalen Arena für die Bildung einer multipolaren Welt statt der monopolaren. Wir gehen davon aus, dass dies für die Entwicklung des Friedens in aller Welt noch nützlicher und günstiger wäre.

China rechnet zuletzt damit, dass jede Nation und jeder Staat das Recht auf Selbstbestimmung für eine Entwicklung, Ideologie und Religion hat. Andere Staaten dürfen sich darin nicht einmischen. In gegenwärtiger Welt wird es bestätigt, dass Menschenrechte Vorrang vor der staatlichen Souveränität hat. Wir halten aber diese Aussage für falsch, weil sie von einigen Staaten als Veranlassung für die Einmischung in innere Angelegenheiten fremder Länder wahrgenommen würde.

Territorium jedes Staates ist heilig und unverletzbar. Wir unterstützen laut diesem Prinzip die territoriale Integrität Aserbaidschans. Unlängst ist eine Erklärung des Ministeriums für Auswärtige Angelegenheiten Chinas abgegeben worden, welche sagt, dass China illegitime Wahlen in Bergkarabach nicht anerkennt. Selbstverständlich hoffen wir, dass der Bergkarabach-Konflikt entsprechend den Resolutionen des UNO-Sicherheitsrates bewältigt wird. Sie haben eben bemerkt, dass viele Resolutionen des Sicherheitsrates jedoch nicht durchgesetzt werden.

Heute werden wir mit Ihnen an der Feier bezüglich der Grundsteinlegung zum Gebäude der Chinesischen Botschaft zu Aserbaidschan teilnehmen. Das ist noch ein Zeichen für die zukünftige Weiterentwicklung unserer Zusammenarbeit.

Nochmals vielen Dank! Eben habe ich Ihnen den herzlichen Gruß des Vorsitzenden der VRC Tsian Tsemin übermittelt.

Heydar Aliyev: Vielen Dank, sehr geehrter Herr Pen. Danke für Ihre wertvollen Worte. Unsere Positionen überschneiden sich in vielen Bereichen. Ich möchte sie noch einmal nicht wiederholen. Ich bedanke mich, dass Sie mir den Gruß vom Vorsitzenden der Volksrepublik China Herrn Tsian Tsemin übermittelt haben. Ich bitte Sie, auch meinen herzlichen Gruß an Herrn Tsian Tsemin zu übergeben und ihm mitzuteilen, dass ich jetzt auf seinen Besuch in Aserbaidschan warte. Sie haben Ihr Wort gehalten, indem Sie gekommen sind, er bleibt hingegen immer noch schuldig. Er hat seine Schuld abzuwickeln. Das Treffen mit Ihnen in Aserbaidschan, meine Treffen mit Ihnen in Peking und eventueller Besuch Herrn Tsian Tsemins werden zur Erweiterung aserbaidschanisch-chinesischer Beziehungen beitragen.

Sie haben vollkommen Recht, dass Nichteinmischung der Staaten in innere Angelegenheiten voneinander Hauptprinzip des Völkerrechts ist und keiner ist berechtigt, sich in innere Angelegenheiten eines anderen einzumischen. Sie haben auch zu Recht bemerkt, dass jede Nation und jeder Staat sich alleine einen Weg aussucht, den das Volk gehen wird, und dass niemand von außen ihm einen Weg zwingend beibringen darf. Wir haben viele solche gemeinsame Blicke und wir sollen uns in allem unterstützen und unsere Beziehungen vorantreiben. Für die Weiterentwicklung von Wirtschaftsbeziehungen gibt es große Kapazitäten. Sie haben gesagt, dass Aserbaidschan große Öl- und Gasressourcen besitzt. Diese Ressourcen sind wirklich vorhanden. Jedoch das wichtigste Mittel der Weiterentwicklung unserer Freundschaft bleibt die Neuauflage der "Großen Seidenstrasse".

Die Neuauflage der "Großen Seidenstrasse" ist ein riesiges Programm des 21. Jahrhunderts, das ohne die Teilnahme Chinas nicht durchsetzbar ist. Uns fällt bei dem Thema zu der Seidenstrasse erst ein, dass die Seide seit alten Zeiten gerade aus China importiert worden war, also China war Begründer dieser Verbindung zwischen dem Orient und Westen. China hatte Seide erzeugt, die über diesen langen Weg nach Europa gebracht worden war. So ist die Seidenstrasse entstanden. Also, wir werden zu den alten Zeiten zurückkehren und heute unsere Partnerschaft mit neuen Bedingungen vorantreiben und dieses Programm zusammen in Erfüllung setzen.

Zum Schluss möchte ich noch sagen, dass Sie, Herr Pen, in Aserbaidschan nicht zum ersten Mal sind. Sie sind in unsere Republik erst gekommen, als Sie Student waren, und haben an dem Bau des Wasserstromwerks in Mingatschewir teilgenommen und somit schöne Eindrücke bekommen. Die Mingatschewirer beobachten mit großer Aufregung Ihren jetzigen Besuch und heißen Sie willkommen. Ich glaube, Sie werden noch Gelegenheit haben, sich mit ihren Vertretern zu treffen und zu diesem Thema zu unterhalten.

Li Pen: Heute treffe ich mich mit ihnen nach dem Mittagessen.

Heydar Aliyev: Vielen Dank. Ich möchte noch Ihnen das Buch "Aserbaidschan-China: Freundschaft kennt keine Grenzen" feierlich schenken. Das Buch ist auf Aserbaidschanisch. Es gibt hier viele Materialien bzw. Informationen über unser Treffen mit Ihnen in Peking. Ich händige Ihnen das Buch ein. Wenn Sie nicht dagegen wären, würde ich die Bücher auch unter den Mitgliedern Ihrer Delegation verteilen.

Li Pen: Wir haben auch ein Geschenk für Sie mit.

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